Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
Verbrüderung zu begeben: Von denjenigen, denen wirklich geholfen werden muss, ist hier nicht die Rede. Aber es finden sich natürlich schnell Mitarbeiter, die eine überfürsorgliche Einstellung mit Vergnügen ausnutzen und Verantwortung abgeben wollen. Wenn sie sich überhaupt verhalten, dann verhalten sie sich verhalten. Sie reklamieren, statt zu kämpfen: »Ich kann machen, was ich will, alles geht schief.« Sie pendeln zwischen Hilflosigkeit (»Das ist heute nicht mein Tag.«) und Rebellion (»Was soll ich denn noch alles tun?«), bedauern sich ständig, bezeichnen sich als Pechvögel (»Warum immer ich?«), warten darauf, dass es von allein besser wird, sind initiativ nur im Klagen und arbeiten oft sehr routiniert mit moralischer Erpressung. Sie sind – häufig unbewusst – immer auf der Suche nach jemandem, der für sie Verantwortung übernimmt. Und machen ihm unentwegt mehr oder weniger offene Angebote zur Symbiose. Sie stellen eine attraktive Falle auf: »Ich weiß nicht mehr weiter, bitte helfen Sie mir«, oder: »Ich kann das nicht entscheiden, bitte entscheiden Sie.«
    Ein Mitarbeiter, der so spricht, will passiv bleiben und schiebt auf subtile Weise dem Chef Verantwortung zu. Das hat für den Mitarbeiter Vorteile (nach F. Heinzel):
|184| Er zeigt keine Initiative – dann besteht auch nicht die Gefahr, anzuecken.
Er trifft keine Entscheidung – dann besteht auch nicht die Gefahr der Fehlentscheidung.
Er übernimmt keine Verantwortung – dann kann er auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
    Und viele Führungskräfte fühlen sich in ihrer selbstgerechten Retterrolle bestärkt, wähnen sich omnipotent und tappen mit Vergnügen in die Falle hinein: »Machen Sie es so und so.« Oder machen gar die Arbeit selber: »Kommen Sie, ich mach’ das schon für Sie.« Schon bald wird der Mitarbeiter den positiven Wert eines »Ich-bin-so-schwach«-Spiels entdeckt haben – ein weiterer Drückeberger mit Trauerschnauz ist geboren.
    Als Führungskraft werden sie in der weltklagenden Geste eines jüdischen Kantors die Unterzuständigkeit ihrer Mitarbeiter beklagen und das Psycho-Spiel »Völlig überlastet« spielen. Aber auch das ist natürlich in Ordnung. Weil Klagen das Gefühl verleiht, dazuzugehören und wichtig zu sein. Wollen Sie darauf verzichten?
    Dieses Handlungsprogramm wird in unseren Unternehmen täglich millionenfach durchgespielt. Die Ich-Grenzen verschwimmen; es gibt kein klares »Hier bin ich. Dort sind Sie.« Es gibt keine Verhandlung und keine Vereinbarung, die wirklich zählt. Als Führungskraft streng oder gütig, als Mitarbeiter beflissen und unterzuständig: die sich verschränkenden Befehlshaber und Fügsamkeitsrollen verschlingen Unmengen an Energie. Es ist eine symbiotische Beziehung, in der sich Chef und Mitarbeiter in komplementären Rollen verklammern, festhalten und damit wie
eine
Person handeln. Energetisch »halbiert« sich damit das Leistungspotenzial, das dem Unternehmen zur Verfügung steht. Durch die unklare Grenzziehung werden die eigenen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten vernachlässigt. Die Führungskraft kommt sich unentbehrlich, wenn auch überlastet vor, der Mitarbeiter angenehm entlastet, wenn auch manchmal ungerechtfertigt entmündigt. Je nach Beziehung zwischen beiden pendeln sie zwischen guten und schlechten Gefühlen hin und her.
    |185| Selbständige Suchprozesse anregen
    Wenn es Ihnen darum geht, die Mitarbeiter in der Verantwortung zu lassen (und gleichzeitig auf den Thrill der Überzuständigkeit verzichten wollen), dann müssen Sie den Mitarbeiter auffordern, die Abhängigkeit aufzugeben. Das machen Sie dadurch, dass Sie keinen Zweifel lassen, dass der Mitarbeiter entscheiden und handeln wird. Stellen Sie sich ihm als Gesprächspartner zur Verfügung. Ihre Aufgabe ist es, die logisch-natürlichen Konsequenzen der Handlungsalternativen zu beleuchten. Krumm wie ein Fragezeichen stehen Sie dabei besser als steif wie ein Imperativ:
An welche Alternativen haben Sie bisher gedacht?
Wo liegen aus Ihrer Sicht Vorteile und Nachteile?
Welche weiteren Informationen brauchen Sie, um das Problem zu lösen?
Was ist Ihr Vorschlag?
Was geschieht, wenn Sie nichts tun?
    Dazu bedarf es einer Einstellung, die nicht wie die Logik alles an den zwei Fingern des Wahren und Falschen abzählt, sondern einer unendlich vielfältigen Wirklichkeit die ganze Hand hinhält. Führung heißt dann mindestens: Keine Ratschläge geben. Rückdelegation verweigern. Sich aber als

Weitere Kostenlose Bücher