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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Gesprächspartner zur Verfügung stellen und den Blick auf die Möglichkeiten lenken. Fragen stellen, welche
selbstständige Suchprozesse beim Mitarbeiter anregen
und auf Ressourcen fokussieren. Den statischen Zustand mobilisieren: Die Situation ist beeinflussbar, wir sind nicht den Umständen ausgeliefert.
    Führungskräfte müssen nicht »mehr« wissen. Sie müssen die Lösung nicht kennen. Ihre Kernkompetenz ist es zu wissen, wie man jemanden einlädt, seine eigenständigen Fähigkeiten zu reaktivieren. Und zu den Konsequenzen zu stehen: Optionen aufzuzeigen für die individuelle Wahl, mit klarem Blick für den Preis, der jeweils zu zahlen ist: »Was können
Sie
tun?« Auf diese Weise lassen Sie den Mitarbeiter in der Verantwortung. Die indische Weisheit sagt: »Gib einem Hungernden einen Fisch, und er hat was zu essen für einen Tag; lehre ihn angeln, und er wird überleben.«
    |186| Nehmen wir ein alltägliches Praxisbeispiel: Der Mitarbeiter erwägt, auf ein Seminar zu gehen, aber will Ihnen die Verantwortung zuschieben: »Glauben Sie, dass diese Tage mich weiterbringen?« Mit der Antwort »Aber ganz sicher!« nehmen Sie ihm die Entscheidung ab und letztlich auch die Verantwortung für den Optimierungsnutzen, den er aus dem Seminar ziehen könnte. Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der völlig desolaten Praxis, mit der Chefs ihre Mitarbeiter auf ein Seminar »schicken« (heimliche Botschaft: »Da wirst du dann dreimal chemisch gereinigt und startest anschließend wieder begeistert durch!«). Wenn Sie aber freundlich antworten: »Was erwarten Sie denn?«, belassen Sie die Beantwortung der Frage da, wo sie hingehört. Vielleicht erkundigen Sie sich: »Welche Erfahrungen haben Sie denn bisher mit Seminaren gemacht?« Nur so bleibt die Verantwortung für den Seminarnutzen auch beim Teilnehmer. Wichtig ist: Dies ist kein rhetorischer Trick, eine Frage mit einer Gegenfrage auszukontern, sondern schlicht die Ablehnung einer symbiotischen Überzuständigkeit, die auch sachlich gar nicht haltbar ist: Woher wollen Sie wissen, ob ein Seminar einen anderen Menschen weiterbringt?
    Der faire Blick sieht aber auch die Schattenseite: Mancher Mitarbeiter – möglicherweise seit Jahrzehnten der Verantwortung entwöhnt – wird Sie als »entscheidungsschwach« abwerten; mancher Ihrer Chefs wird wohl argwöhnen, dass Sie Ihre Mitarbeiter »nicht so richtig im Griff haben« (meist fragen sich solche Leute gar nicht, wie
ihnen
zumute wäre, wenn sie erführen, dass eine Stufe höher über sie geäußert würde: »Den habe ich voll im Griff!«). Wenn Sie diesen Preis nicht zahlen wollen, vergessen Sie die Selbstverantwortung.
    Der Retter ist immer der Dumme
    Gerade weil in Unternehmen die symbiotischen Rollenmuster einander oft so nahtlos ergänzen, werden Konflikte oft als »unharmonisch«, als Störung erlebt. Insbesondere eine Auseinandersetzung zwischen zwei Mitarbeitern sieht keine Führungskraft |187| gern. Im Regelfall werden Konflikte aber nicht in ihrem positiven Wert als wichtige Hinweise auf Entwicklungen, Veränderungen und mit ihren Chancen für Neuanpassungen erlebt, sondern als »Streit«, den man möglichst schnell »schlichten« muss, so wie man Brände mit Wasser löscht.
    Und da – wie schon gezeigt – nicht wenige Führungskräfte die Feuerwehr-Nummer als wesentliches Element ihres Rollenverständnisses verstehen, werden von Mitarbeiterseite erfolgreich Einladungen ausgesprochen: »Wir können uns über die Urlaubsregelung nicht einigen; nun sagen Sie doch mal, wer von uns beiden recht hat.« Die Mitarbeiter erhalten Aufmerksamkeit und sind der eigenen Entscheidung auf angenehme Weise enthoben. Und viele Führungskräfte rutschen wieder täppisch auf der bereitgelegten Bananenschale aus. Sie legen die Robe an und spielen mit after-shave-gemeißelter Miene das Spiel »Gerichtssaal«. Eine psychosoziale Selbstschussanlage: Wenn Sie sich für eine der beiden Parteien entscheiden, haben Sie anschließend mit der anderen ein Problem. Vorher hatten Sie kein Problem – jetzt haben Sie eins. Entscheiden Sie sich salomonisch für die Mitte, in der, wie man sagt, die Wahrheit herumliegt, haben Sie anschließend
zwei
Probleme.
    Was Sie zudem ignorieren, ist die Tatsache, dass jeder aus seiner Sicht im Recht ist und »sinnvolle« Zwecke verfolgt. Dass es keine »falschen« Argumente gibt. Es ist unmöglich herauszufinden, wer recht hat oder wer schuldig ist! Der Retter ist immer der Dumme. »Dabei wollte ich doch

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