Das Prinzip Terz
Biel vor ihm und sah ihn mit verwunderten Augen an. Mit jenem erstaunten Blick, als sein Herz aussetzte. In Terz’ Nase stach der Geruch von Biels Räumen. Er hörte die Geräusche aus dem Hof, spürte die Schwüle des Dachapartments.
Er war in Biels Wohnung!
Terz wollte sich umdrehen und weglaufen. Seine Kollegen saßen um ihn herum. Als wäre nichts gewesen, diskutierten sie den Fall. Dem Stand des Gesprächs nach hatte der Flashback nur einen Sekundenbruchteil gedauert. Niemand hatte etwas gemerkt. Terz spürte Schweiß überall.
Ruhe bewahren!
Frühere Liebhaber des Gelegenheitskellners hatten keine Motive, dafür Alibis. Tönnesens Geldquelle blieb ein Geheimnis. Immerhin hatte man herausgefunden, dass er sein neues Auto bar bezahlt hatte. Zur Verwunderung des Autohändlers. Befragt worden waren auch die Makler, deren Wohnungsangebote und -pläne sie in Tönnesens Nachlass gefunden hatten. Dieser wollte eine Wohnung im Wert von immerhin einer halben Million Euro kaufen.
Die Bewegungen auf Winfried Sorius’ bekannten Konten brachten auch keinen Aufschluss. Zwar gab es in jüngster Zeit mehrere hohe Abbuchungen. Etwa zur selben Zeit hatte Tönnesens luxuriöser Lebensstil begonnen. Aber was besagte das schon?
Ansgar Biel hatte mehrere gescheiterte Beziehungen hinter sich und war kinderlos. Sein Vater war bereits tot, seine Mutter lebte bei Heidelberg, hatte ihn aber seit Jahren nicht gesehen. Bei seinen zwei Schwestern, eine in Düsseldorf, die andere in Hannover, war er in unregelmäßigen Abständen aufgetaucht und hatte sie um Geld angeschnorrt. Wen Biel mit seinen Briefen erpresst hatte, blieb weiterhin unklar. Nirgendwo hatten sich neue Hinweise auf die Personen gefunden.
Das vierte Team hatte Gernot Sandels Vergangenheit als erfolgloser Schriftsteller, Gelegenheitsjournalist, -werbetexter, Küchenhilfe, Nachtportier und anderes ausgeforscht. Er stammte ursprünglich aus Magdeburg, war aber schon Jahre vor dem Fall der Mauer in den Westen gekommen. Der Seitenwechsel hatte ihm nicht viel Glück gebracht. Er war weder verheiratet noch geschieden, hatte keine Kinder, und seine Eltern waren bereits tot. Die Nachbarn sagten aus, dass er kaum Besuch erhielt. Über Nacht war nie jemand geblieben. In Hamburg lebte er seit seiner Ankunft im Westen, in der Wandsbeker Einzimmerwohnung seit sieben Jahren.
Mit Worten beteiligte sich Terz an den Spekulationen und Theorien des Teams. In Gedanken reduzierte er die vier Fälle auf zwei: Tönnesen und Sorius. Betrachtete man sie isoliert – und nur er tat das –, schied ein sexuelles Motiv noch nicht aus. Tönnesens geheimnisvolle Geldquelle war wichtig für den Fall. Mehr Bedeutung als die anderen maß er Hansens gefälschter Kündigung bei. Er war überzeugt, dass Meier-Hollfelden dafür verantwortlich war. Vielleicht sollte er hier noch einmal nachgraben. Immerhin hatte der Agenturbesitzer ein Motiv: die Anteile von Winfried Sorius. Er besaß zwar ein Alibi, doch einen Mord konnte man in Auftrag geben. Aber warum dann Tönnesen? Der passte nicht in die Habgiertheorie.
Zu Biels Telefonaten mit Terz hatte Sammi noch immer kein Wort gesagt.
Als Terz ihn nach dem Gespräch mit Finnen darauf ansprechen wollte – nicht direkt natürlich –, rief der Dienst habende Beamte am Eingang an:
»Ich habe hier einen Typ, der ist ziemlich sauer. Er sagt, wir hätten seine Frau. Er will sofort zu ihr. Sein Name ist Kantau.«
Terz hatte Walter Kantau noch nicht kennen gelernt. Er wollte ihn persönlich vom Empfang abholen. Auf dem Weg hinunter meldete sich Elena auf Terz’ Handy.
»Ramscheidt hat mich heute Abend zum Essen eingeladen. Wir gehen ins ›Au Quai‹.«
Terz stolperte fast, fing sich und blieb stehen.
»Du lässt dich aber gern einladen von Herrn Ramscheidt. Samstagabend. Heute schon wieder …«
»Er lässt fragen, ob du Lust hast, mitzukommen.«
Jetzt war ihm seine pubertäre Eifersucht peinlich. Er wusste selbst nicht, weshalb er sie ausgerechnet bei Ramscheidt verspürte.
»Jemand wird ja wohl bei den Kindern bleiben müssen.«
»Julie kann. Ich habe schon mit ihr gesprochen.«
Das »Au Quai« hatte trotz häufig wechselnder Köche eine akzeptable Küche, sein eigentlicher Reiz war aber die Lage direkt am Elbufer mit grandiosem Hafenblick.
»Es wird wieder ein herrlicher Abend. Bekommt Herr Ramscheidt auch einen Terrassenplatz?«
Elena lachte so laut, dass er den Hörer vom Ohr weghalten musste.
»Kommst du nun oder nicht?«
Terz, der
Weitere Kostenlose Bücher