Das Prinzip Terz
war ein Anruf gegen zwei Uhr. Können Sie sich an den erinnern?«
Prosniks Lippen zitterten.
Ich muss Frau Kantau sprechen. Es geht um ihren Mann. Mein Name ist unwichtig. Machen Sie schon.
Terz konnte sich an jedes Wort des Gesprächs erinnern. Hinter ihm hatte der tote Biel gelegen. Genauer, der Biel, den Terz für tot gehalten hatte.
Unsicher sah Prosnik zu Kantau. Diese erwiderte den Blick mit einem kurzen Zucken der Augenbrauen, dann wandte sie sich ab.
Das Dienstmädchen straffte sich und strich ihre kleine weiße Schürze glatt.
»Es gab einen Anruf«, sagte sie mit fester Stimme. »Der Mann wollte Frau Kantau sprechen. Mir sagte er seinen Namen nicht.«
Man bekommt kein anständiges Dienstpersonal mehr, klagten Terz’ reiche Freunde. Mit Frau Prosniks Loyalität war es tatsächlich nicht weit her.
»Was wollte er von Frau Kantau?«
»Es ging um ihren Mann. Ich fragte, ob ihm etwas zugestoßen sei, bekam aber keine Antwort. Dann sprach Frau Kantau mit ihm.«
»Was geschah nach dem Gespräch?«, fragte Terz und beobachtete Kantaus Reaktion aus den Augenwinkeln. Die starrte aus dem Fenster, als ginge sie das alles nichts an.
»Frau Kantau verließ das Haus.«
»Wissen Sie, wohin?«
»Nein.«
Sammi fuhr die Hausherrin an: »Was wollte Biel von Ihnen? Warum verließen Sie sofort nach seinem Anruf das Haus? Warum waren Sie eine halbe Stunde später nur ein paar Meter von seinem Wohnort entfernt?«
»Aber ich war nicht –«
Terz unterbrach sie mit ernster Stimme: »Frau Kantau, es gibt niemand anderen, der in solche Nähe zu den drei Taten gerückt werden kann wie Sie.«
Kantau schwieg und sah an den beiden Kommissaren vorbei in den Garten. Terz hatte jetzt Mitleid mit ihr. Er glaubte nicht, dass sie die Täterin war. Aber je verdächtiger sie schien, desto weniger würde man andere Spuren verfolgen. Sie musste so lange herhalten, bis er den eigentlichen Mörder von Sorius und Tönnesen gefunden hatte. Wenn er ihm auch die Tat an Biel anhängen konnte, war die Kantau aus dem Schneider. Was tat er, wenn der Täter für den Mord an Biel ein unerschütterliches Alibi hatte? Oder wenn sie ihn nicht fanden? Oder wenn Terz keine Verbindung zu Biel herstellen konnte? Viele Wenns. Nach endlosen Sekunden sagte Kantau tonlos:
»Ich rufe meinen Anwalt an.«
»Bestellen Sie ihn gleich ins Präsidium«, befahl Sammi.
»Sie bleibt bei der Geschichte.« Verärgert fixierte Sammi den kleinen Bildschirm, auf dem das Video des Verhörs lief.
»Vielleicht stimmt sie ja«, meinte Perrell.
Gemeinsam oder abwechselnd hatten sie Amelie Kantau drei Stunden lang befragt. Ihr Anwalt riet ihr ab, zu reden, aber sie bestand darauf.
»Ich gehe noch einmal rein.« Sammi erhob sich.
Die anderen blieben vor dem Bildschirm. Terz schaltete um auf die Kamera im Verhörraum. Amelie Kantau flüsterte mit ihrem Anwalt. Der rauchte. Als Sammi den Raum betrat, stöhnte sie auf.
»Nicht noch einmal. Ich habe Ihnen alles erzählt, wie es war.«
Der Anwalt drückte die Zigarette aus.
Sammi setzte sich ihr gegenüber. »Dann erzählen Sie es eben noch einmal.«
»Der Anrufer, ich kannte seinen Namen nicht, wollte mir etwas über den Mord an Winfried Sorius erzählen. Ich sollte zum Eppendorfer Baum kommen. Dort wollte er mich wieder anrufen.«
»Warum haben Sie ihn überhaupt ernst genommen?«
»Glauben Sie, ich will nicht wissen, wer Win ermordet hat? Außerdem war ich unübersehbar längst Verdächtige in dem Fall. Der Mann konnte mir helfen, wenn er wirklich etwas wusste.«
»Und Ihnen kam das nicht verdächtig vor? Warum erzählte Ihnen der Anrufer die Geschichte nicht am Telefon?«
»Er wollte Geld für die Information.«
»Aber warum mussten Sie sofort los? Sie hatten Besuch.«
»Es erschien mir wichtiger, etwas über einen Mord zu erfahren, als Kaffee zu trinken.«
»Was geschah dann?«
»Ich fuhr zum Eppendorfer Baum.«
»Warum riefen Sie nicht die Polizei?«
»Damit mein Mann von der ganzen Sache erfährt?«
»Das tut er jetzt auch.«
»Von mir nicht.«
»Weiter.«
»Ich fuhr zum Eppendorfer Baum. Unterwegs rief er mich zweimal an. Am Eppendorfer Baum wartete ich zwanzig Minuten. Als keine neuen Anweisungen kamen, fuhr ich wieder nach Hause.«
Bis jetzt hatte sie sich keine Blöße gegeben. Selbst nicht im Verhör mit ihm, der immerhin genau wusste, dass sie log.
»Das kam Ihnen nicht verdächtig vor?«
»Nein.« Genervt. »Ich war zu nervös. Ich werde schließlich nicht jeden Tag in einen Mord
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