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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Rafelsberger
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lieber zu Hause bleiben wollte, aber auch Lust auf ein gutes Essen mit Elbgeplätscher zur Untermalung hatte und seine Frau nicht mit einem Schürzenjäger allein lassen wollte (obwohl er sich ihrer sicher war, doch), sagte ja.
    Walter Kantau war so groß wie Terz und wog sicher doppelt so viel. Auf seinem Kopf verloren sich ein paar farblose Haare, der massige Körper war in einen feinen Anzug gekleidet, unter dem Arm trug er eine Aktentasche. Er war wenigstens zwanzig Jahre älter als seine Frau und kam Terz mit unerwartet eleganten Bewegungen entgegen. Seine Stimme schien aus dem Innersten des massiven Bauchs zu dröhnen. »Was ist mit meiner Frau?«
    »Es gibt da eine Sache, zu der wir sie befragen mussten.«
    »Was für Fragen? Fragen kann man auch am Telefon stellen! Das haben Ihre Kollegen wegen Winfried Sorius bei mir gestern auch getan. Hierher bringt man Verdächtige.«
    Was wusste der Koloss von der Affäre seiner Frau? Terz fand eine Gegenüberstellung der Eheleute in dieser Situation eine reizvolle Möglichkeit, mehr über die beiden herauszufinden. Trotz Alibi war auch Walter Kantau noch nicht ganz von ihrer Verdächtigenliste gestrichen.
    Fünf Minuten später betraten sie ein Besprechungszimmer im vierten Stock. Obwohl es draußen noch taghell war, hatte jemand die grellen Neonlampen angeschaltet. Amelie Kantau stand am Fenster und rauchte. Ihr Anwalt wartete neben ihr. Sammi und Brüning saßen an dem großen Besprechungstisch.
    »Was ist hier los«, pöbelte der massige Mann seine Frau an. »Was ist das wieder für eine Scheiße?«
    Eine feine Sprache führte der Herr. Terz hatte ihm wohl zu Unrecht mögliche Probleme mit den Umgangsformen seiner Frau unterstellt. Amelie Kantaus Miene verschloss sich.
    »Die Herren Kommissare hatten ein paar Fragen an mich.«
    »Willst du mich verscheißern? Wegen ein paar Fragen hockt man um diese Zeit nicht mit einem Haufen Polizisten und einem Anwalt im Polizeipräsidium.«
    Kalt erwiderte sie: »Du wirst es nicht glauben, sie verdächtigen mich des Mordes. Des mehrfachen.«
    Walter Kantau lachte lauthals los. »Mord! Mehrfach! Du! Das ist gut. Und wen sollst du ermordet haben?«
    »Winfried Sorius und wenigstens zwei andere.«
    Die kühle Offenheit, mit der Amelie Kantau ihrem ungehobelten Mann begegnete, machte sie Terz sympathisch.
    »Winfried Sorius?« Terz konnte beobachten, wie es in Kantaus Kopf zu arbeiten begann. »Warum solltest du Sorius umbringen?«
    Seine Frau zuckte mit den Schultern, sog an ihrer Zigarette und wandte sich zum Fenster.
    »Und die anderen?« Kantaus Bass war ein paar Dezibel leiser geworden. Die Stille breitete sich im Raum aus wie ein Ballon, der gleich platzen würde. Dann schwoll Kantaus Stimme zu alter Lautstärke. »Du hast mich mit Sorius betrogen?«
    Der Mann begriff schneller als viele andere, die Terz erlebt hatte. Kantau schleuderte seine Aktentasche auf den Tisch, dass alle zusammenzuckten und seine Frau erschrocken herumfuhr.
    »Deinen komischen Anwalt da kannst du gleich behalten! Meinen bekommst du sicher nicht! Den brauche ich! Für die Scheidung! Ich frage mich nur, wer dann deine Anwälte bezahlen wird! Ha!« In einem Schwung griff er die Tasche, wandte sich zur Tür und rief: »Du warst nichts vor unserer Heirat! Nach unserer Scheidung wirst du noch viel weniger sein!«
    Terz gab Brüning mit den Augen ein Zeichen, Kantau zu folgen und hinauszubringen.
    Entweder war Kantaus Empörung brillant gespielt, oder er hatte tatsächlich eben erst von dem Verhältnis seiner Frau erfahren. In diesem Fall schied er wohl als Verdächtiger aus.
    Mit aschfahlem Gesicht stand Amelie Kantau unter dem kalten Neonlicht. Der Rauch ihrer Zigarette kroch an ihrem Arm hoch wie ein böses Tier. Terz’ Inszenierung hatte sie in diese Lage gebracht. Er fühlte Mitleid, aber nur kurz. Sie hatte ihren Mann betrogen, nicht er.
    Das Elbufer rund um die alte Fischauktionshalle ist wohl einer der meistgefilmten Orte Deutschlands. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht in irgendeinem pittoresken Winkel der Großen Elbstraße eine Aufnahmecrew ihre Scheinwerfer und Leinwände aufspannt, damit Tageslicht später am Bildschirm auch wirklich wie solches wirkt, Materialwagen und Cateringtische die Gehwege versperren, trendige junge Menschen die Szenerie bevölkern und Stunden darauf warten, dass eine Filmminute abgedreht wird.
    Diesmal hatten sie sich eine strategisch besonders günstige Stelle ausgesucht. Kurz vor dem Backsteinbau einer zum

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