Das Prinzip Terz
Meldungen aus den letzten Tagen zu interessieren, zogen ihn Locht, Levebvre und Fest damit auf. Unausgesprochen gaben ihm seine Freunde damit zu verstehen, dass sie alles nicht ernst nahmen. Das Leben gewann in Gegenwart entspannter Zeitgenossen.
»Ich habe gestern übrigens zufällig etwas über einen deiner Sorius-Klienten erfahren«, wechselte Anton Locht das Thema. »Dieser Walter Kantau, nach dem du letzte Woche fragtest.«
»Red nicht herum«, fuhr ihn Levebvre an.
»Aus gewöhnlich sehr gut unterrichteter Quelle weiß ich, dass er ein Verhältnis hat.«
»Umwerfende Neuigkeiten«, höhnte Levebvre. »Wahrscheinlich auch noch mit seiner Sekretärin.«
»Mit einer seiner Mitarbeiterinnen, einer gewissen Elisa Beyerl oder so.«
»Wenig originell«, kommentierte Levebvre.
Nachdem sie das Boot im Bootshaus des Ruderclubs verstaut hatten, gab Terz den Umschlag mit den Unterlagen Hinnerk Fest.
»Das ist streng vertraulich. Falls mir etwas zustößt, gehst du damit zu den Behörden und an die Öffentlichkeit.«
»Das ist jetzt ein Scherz«, meinte Fest und zögerte.
»Wie im Film«, flachste Anton Locht. »Konrad hatte schon immer einen Sinn für Drama.«
Seine Freunde grinsten. Aber Terz sah, dass sie damit ihre Beunruhigung kaschierten.
Wortlos drückte er Fest die Papiere in die Hand. Ihre fröhlichen Mienen wurden ernst.
Als er in seine Straße einbog, ahnte er schlechte Neuigkeiten. Vor dem Haus tummelte sich eine Schar Journalisten. Sie entdeckten seinen Wagen und stürmten ihm entgegen. Blockiert von seinen ebenso überraschten Beschattern hinter ihm war ein Ausweichen unmöglich. Im Schritttempo suchte er einen Parkplatz. Mit freundlich-ernster Miene sagte er nur: »Ein Missverständnis. Es wird sich alles aufklären« und flüchtete ins Haus. Ein paar Reporter drängten nach, doch Terz wies sie energisch hinaus.
Die Morgenzeitung brachte es natürlich auf der Titelseite:
»Starkommissar unter Mordverdacht?«
Seine Suspendierung wurde ebenso erwähnt wie Details aus Sammis Ermittlungen und die Hausdurchsuchung.
Zum Glück hatten sie die Kinder noch gestern Abend zu Julie gebracht. Elena erwartete ihn schlaftrunken.
»Ich musste schon wieder Telefon und Türglocke abziehen.«
Bevor sie danach fragen konnte, reichte Terz ihr wortlos die Zeitung. Als er aus dem Bad kam, hatte sie den Artikel gelesen.
»Schwere Geschütze«, war ihr einziger Kommentar.
Terz schilderte ihr in kurzen Worten die Entdeckungen der letzten Nacht.
»Ramscheidt?« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Wenn das ein Zufall sein soll!«
»Etwas Ähnliches dachte ich auch schon.«
»Deshalb dieses Interesse an dir und deinen Fällen.« Und sie beeilte sich hinzuzufügen: »Ich habe nichts erzählt.«
»Ich weiß. Für welche Wittpohl-Firma arbeitest du?«
»InterPohl.«
»Ein Scherzbold …«
»Internationale Bau- und Immobiliengeschäfte. Glaubst du, sie haben etwas mit den Morden zu tun? Vielleicht kann ich etwas herausfinden. Zum Beispiel …«
»Gar nichts wirst du herausfinden!«, rief Terz besorgt.
»– Einblick in die Bücher von TotalRise bekommen«, fuhr Elena fort, als hätte er nichts gesagt.
Terz wusste, dass Widerspruch zwecklos war, wenn Elena sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Ohnehin hatte er Wichtigeres zu tun. »Ich werde einmal die Herren Söberg und Ramscheidt besuchen.«
Erst die beiden konfrontieren. Wenn das zu nichts führte, Walter Kantau und seiner Affäre nachgehen. Terz rief im Rathaus an und verlangte Söberg. Der Assistent des Bürgermeisters kam sofort an den Apparat.
»Ich muss dich dringend sprechen«, erklärte Terz.
»Das passt gerade überhaupt nicht –«
»Jetzt!«
Derart überrumpelt stimmte Söberg zu.
Terz verließ das Haus durch die Vordertür, sagte kein Wort zu den Reportern, stieg in den Wagen und fuhr los. Im Rückspiegel verfolgte er, wie ihm einige nachfuhren und seine Beschatter behinderten. Er stellte das Blaulicht auf, überfuhr ein paar rote Kreuzungen und hatte alle abgehängt. Zwei Minuten später meldete sich sein Handy. Terz erkannte Sammis Nummer auf dem Display und ließ die Melodie weiter erklingen: »I say a little Prayer« – Terz sprach für sich ein kleines Gebet, obwohl er höchstens diffus gläubig war. Aber momentan konnte er es brauchen.
Eine weitere Minute später hatte er die Mitteilung über eine Nachricht auf der Mailbox. Darin drohte ihm Sammi. Er solle sich sofort melden. Terz löschte Sammis wütende Stimme.
Auf der Fahrt
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