Das Prinzip Uli Hoeneß
bereits als Fünfzehnjährigen von der Talenteschmiede des FC Barcelona nach London lotste. Der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete dieses Vorgehen im Frühjahr 2009 als »Kidnapping« und »Kinderhandel« – und hatte dabei ganz offensichtlich vergessen, dass die Bayern im Sommer 2007 schon mal einen dreizehnjährigen Peruaner verpflichtet hatten: Pierre Larrauri Corroy. »Kinderhandel! Menschenhandel!«, lautete damals der Vorwurf an die Bayern. Aus Pierre wurde dann kein Star à la Fabregas. Er spielte in der C-Junioren-Bezirksoberliga Oberbayern und kehrte im Frühjahr 2008 nach Peru zurück, weil er das Heimweh sowie die Sehnsucht nach Freunden und Verwandten nicht mehr ertragen konnte. Wäre dem FC Bayern eine Entwicklung des Talents und eine »Bajuwarisierung« der Seele des Kleinen gelungen – hätte man dann von einem Scouting-Coup gesprochen?
Festzustellen bleibt, dass es äußerst schwierig ist, Spieler aus der eigenen Jugend zu Topstars zu entwickeln. Schon die Produktion von tauglichen Bundesligaspielern überfordert die meisten Bundesligisten, und so muss man sich über die Probleme der Bayern nicht wundern. Die bekanntesten der durchaus guten Spieler aus der Bayern-Jugend, die heute in der Bundesliga spielen, sind – neben den Bayern-Spielern Lahm und Schweinsteiger – Trochowski (HSV), Hummels (BVB), Misimovic (Wolfsburg) und Guerreiro (HSV). Bayern hat sie ziehen lassen, teilweise für hohe Ablösesummen (Hummels brachte 4 Mio. Euro plus X bei einem Weiterverkauf), denn für das Niveau eines europäischen Topvereins wurden sie allesamt für nicht gut genug befunden. In Barcelona gelingt es offensichtlich besser – was Uli Hoeneß aber nur zu einem grantigen Hinweis aufs spanische Geld reizt. »Die haben Personalkosten«, meinte er, »dreimal so hoch wie unsere. Wenn das dann eine Fohlenelf ist, na bravo.«
Neue Dimensionen im Millionenspiel
Sicher scheint, dass die Bayern auch künftig stark darauf angewiesen sein werden, heimische und ausländische Talente früh zu scouten und in der Jugend- und Amateurmannschaft gezielt für eine Profikarriere auszubilden. Denn in den Möglichkeiten der Spielerverpflichtung werden dem FC Bayern auf dem internationalen Transfermarkt auch künftig enge Grenzen gesetzt sein, wahrscheinlich mehr denn je zuvor. Im Jahr 2003 bekam Uli Hoeneß’ alter Jammer über die von Milliardären versorgten Vereine aus Südeuropa, über die Berlusconis und Agnellis, die ihrem Milan bzw. ihrer Juventus eben mal mit zweistelligen Millionenbeträgen aushalfen und deswegen den FC Bayern bei so manchem Transfer ins Hintertreffen geraten ließen, eine ganz neue Dimension. In diesem Jahr kaufte nämlich der russische Ölmilliardär Roman Abramowitsch für 210 Mio. Euro den FC Chelsea und investierte in den nächsten fünf Jahren fast 800 Mio. Euro in den Klub. Abramowitsch habe, so Hoeneß, »ein Spiel ohne Grenzen« eröffnet, das einem Verein wie dem FC Bayern auf dem Transfermarkt praktisch keine Chance mehr lasse, und das sei nicht weniger als der »Anfang vom Ende des Fußballs«.
Ende 2008, nach Jahren der von zig Millionen befeuerten Wilderei auf dem Transfermarkt, schien zunächst einmal das Ende von Abramowitsch gekommen. Der Oligarch würde den Klub sofort für einen symbolischen Euro verkaufen, berichtete der »Kicker«, wenn der neue Besitzer dafür im gleichen Zug die 1,1 Mrd. Euro Schulden übernähme. Hoeneß freute sich diebisch darüber, dass der im Zuge der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geratene Multimilliardär offenbar die Lust an seinem Hobby verloren hatte. Endlich schien einzutreten, was er sich so lange herbeigewünscht hatte – der finanzielle Kollaps seiner größten Feinde, der Glücksritter und Hasardeure der Globalisierung.
Doch ein taumelnder Abramowitsch allein konnte noch nicht als ein Zeichen für ein Ende der Einkaufsfeldzüge mit den zwei- und dreistelligen Millionensummen genommen werden. Die englische Premier League war in den letzten Jahren von superreichen Investoren, die sich Fußballvereine wie ein Spielzeug anschaffen, regelrecht gekapert worden. 1991 war Manchester United an die Börse gegangen und hatte zunächst hohe Gewinne erzielen können. Dann aber begann im März 2003 der US-Milliardär Malcolm Glazer damit, in großen Mengen Aktien von Manchester United aufzukaufen – bis der Klub schließlich quasi zum Privateigentum der Glazer-Familie geworden war.
Als die US-amerikanischen Unternehmer
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