Das Prinzip Uli Hoeneß
George Gillet und Tom Hicks im Februar 2007 den hochverschuldeten englischen Rekordmeister FC Liverpool für rund 714 Millionen Euro erwarben, war dies bereits der siebte Klub der Premier League, der in die Hand milliardenschwerer Besitzer aus dem Ausland geraten war. Und im Sommer 2008 sorgten schließlich zwei Herren aus Abu Dhabi weltweit für Schlagzeilen – Dr. Sulaiman Al-Fahim und Scheich Mansur Bin Sajid al-Nahjan –, indem sie nach der Übernahme von Manchester City eine 125-Millionen-Euro-Offerte (plus Jahresgehalt von 15 Mio. Euro netto) für den brasilianischen Weltfußballer Kaká vom AC Mailand publik machten. Wegen der unsicheren sportlichen Aussichten (und wohl auch ein wenig wegen des schlechten Wetters auf der Insel) sagte der Brasilianer »nein« – um dann im Jahr darauf für eine Ablöse von 65 Millionen dem Ruf von Real Madrid zu folgen. Bei den »Königlichen« hatte im Jahr 2009 mit dem Bauunternehmer Florentino Pérez wieder jener Mann als Präsident die Macht übernommen, der während seiner ersten Amtszeit die damaligen Rekordtransfers von Figo und Zidane getätigt hatte. Kurz darauf holte er auch noch Kakás Nachfolger als Weltfußballer, den Portugiesen Cristiano Ronaldo von Manchester United, für die neue Rekordsumme von 94 Mio. Euro. Wie viel Pérez dabei selbst investierte, ist nicht ganz klar; fest steht, dass er Kredite aufnahm und dafür die Einnahmen aus dem Verkauf der TV-Rechte von Real verpfändete.
Uli Hoeneß grauste sich vor dem Geschehen, das seine Bayern im Vergleich zu den Großen des Geschäfts mehr denn je zu Aschenputteln werden ließ. Seit die Oligarchen in großem Stil ins Geschäft eingestiegen waren, wurde immer deutlicher, dass man sich mit den Mitteln der Bayern dagegen nicht wappnen konnte. Wie der Vorstand eines (immerhin solide geführten) Armenhauses kam er sich vor und setzte dazu an, den üblichen Refrain anzustimmen: dass es vollkommen unseriös sei, wenn ein Klub über eine halbe Milliarde Euro Schulden habe und trotzdem neue Rekordtransfers durchziehe, dass alle von Milliardären gestopften Klubs ihren Laden dichtmachen könnten, wenn der Mäzen nicht mehr mitmachen würde, und dass die Zeit der Zig-Millionen-Transfers rasch zu Ende sei, wenn sich der sportliche Erfolg nicht einstelle. Andererseits, so Hoeneß, müsse man natürlich schon ernsthaft überlegen: »Können wir mit den Ressourcen, die wir aufgebaut haben, im Konzert der Großen weiter mitspielen, zu den sechs, acht bestimmenden Vereinen gehören?« In einer Mischung aus Vorsicht, Dickköpfigkeit und Ohnmacht hat er entgegen den Einflüsterungen von Fans und Vorstandskollegen bis 2007 immer wieder der Versuchung widerstanden, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Dann tat er es schweren Herzens. Doch solche Investitionen an der 100-Millionen-Grenze, durch die sich der Vorsprung der europäischen Spitzenvereine zumindest vorübergehend ein wenig verkleinert, können die Bayern nicht beliebig wiederholen. Und das führt zu der Frage, ob es letztlich nicht unumgänglich ist, den Milliardären auch in München den roten Teppich auszurollen.
Die Verhältnisse in Deutschland stehen dem bislang freilich entgegen. In der Bundesliga dürfen nach der »Fünfzig-plus-eins-Regel« nur weniger als die Hälfte der Stimmrechte nach außen gegeben werden, das heißt, die Klubs müssen mit 50 Prozent der Anteile plus einer Zusatzstimme die Mehrheit an einer Aktien- oder Kapitalgesellschaft halten. Diese Regel macht Bundesligaklubs für ausländische Investoren relativ uninteressant. Uli Hoeneß erteilte dem Einstieg fremder Investoren beim FC Bayern eine klare Absage. »Für uns als FC Bayern wäre es sicherlich kein Problem, einen reichen Scheich, Prinzen oder wen auch immer zu finden, der uns aufkauft. Aber für mich ist das derzeit nicht der richtige Weg.« An anderer Stelle machte er aus dem »derzeit« sogar ein »nie«: Bei einer fremden Übernahme der Bayern würden die Fans »auf die Barrikaden gehen«, meinte er; und falls man ihn dazu zwingen würde, dem Einstieg eines Großinvestors zuzustimmen, dann würde er unterschreiben und am nächsten Tag zurücktreten.
Andererseits erklärte Hoeneß zugleich, grundsätzlich keine Einwände gegen den Einstieg fremder Finanziers in der Bundesliga zu haben. »Die sollen die Fünfzig-plus-eins-Regel ruhig abschaffen. Wenn der eine oder andere Verein denkt, damit glücklich zu werden, hätte ich damit kein Problem.« Im Prinzip sei das aber nur eine
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