Das Prinzip Uli Hoeneß
schlechter Leistungen verkauft wurde, sondern deswegen, weil das Angebot für den alternden Brasilianer einfach zu gut war. Es auszuschlagen sei geradezu eine »Geisteskrankheit«, argumentierte sich Hoeneß ins moralische Abseits, in dem er sich gleichwohl selbst keineswegs sah: »So eine unpopuläre Maßnahme ist ein wunderbares Beispiel für Zivilcourage.« Im Dienste des FC Bayern habe er die für den 31-Jährigen gebotenen 4,5 Mio. einfach annehmen müssen.
Die Behauptung, dass ihm der Verkauf des sympathischen Torjägers wehgetan habe, mag man dem Bayern-Manager durchaus glauben. Es könnte aber auch sein, dass ein kleiner Racheakt dahinter steckte. Nur zwei Jahre zuvor hatte Elber selbst mit seinem Abschied gedroht, falls Hoeneß nicht endlich durch Spitzentransfers die internationale Konkurrenzfähigkeit der Bayern erhöhe. »Das ist eine Degradierung seiner Kollegen«, hatte er damals Elbers Ruf nach Verstärkungen giftig erwidert. »Er tut so, als könne er mit dieser Mannschaft keinen Erfolg haben.« Und jetzt lautete also die unausgesprochene Replik, dass der künftige Erfolg bei einem Bleiben Elbers gefährdet sein könnte. Vielleicht war der Verkauf aber auch nur die ganz gewöhnliche Anwendung der Maxime: keine Verlängerung von Verträgen aus purer Dankbarkeit für vergangene Verdienste. Egal, was zuvor war – wenn Spieler ihre Leistung nicht mehr brachten, zählte nur noch die kompromisslose Logik des Geschäftsmannes, der die Ausschussware ausmustert.
Neben dem kompromisslosen Aussortierer Hoeneß gab es aber stets auch den geduldigen Pädagogen, der mit schwächelnden Spielern das Gespräch suchte und nach Maßnahmen sann, die Verbesserung bringen könnten. Es liege nicht daran, »dass der FC Bayern zu wenige gute Spieler hat«, kommentierte er etwa die mäßigen Leistungen in der ersten Hälfte der Saison 2003/04. »Jedenfalls würde ich es bedauern, wenn dieses Personal nicht reichen würde. Und es nützt auch nichts, fünf Neue zu holen, wenn die dann wieder nicht die Leistung bringen.« Das gnadenlose Aufräumen war für den einstigen Lehramtsstudenten nur ein Mittel zweiter Wahl. Angesichts mangelhafter Leistungen verhielt er sich zuerst nach der Maxime, dass alle Maßnahmen ergriffen werden müssen, die geeignet erscheinen, aus dem vorhandenen »Material« das Bestmögliche herauszuholen. So entwickelte der im Rücken des jeweiligen Trainers agierende Uli Hoeneß im Lauf der Jahre etliche Argumente und Methoden, um die Leistungsunwilligen anzutreiben und die Problemkinder in die richtige Spur zu setzen.
Der Hunger von früher
Im Januar 2004 konnte man während des Bayern-Trainingslagers in Dubai folgende Szene erleben: Im Trainingsanzug und mit Fußballschuhen sitzt Uli Hoeneß auf der Ersatzbank am Rande des Trainingsplatzes. Bald würde er selbst mit anderen alten Cracks zum kleinen Freizeitkick antreten. Als Salihamidzic, Scholl und Ballack die teueren Lederkugeln im Gebüsch liegen lassen und vom Platz traben wollen, schreckt er hoch und ruft: »Bälle holen!« Es sei ganz wichtig, auf Disziplin zu achten, begründete er seine Intervention. Früher habe man mit Lumpenbällen gespielt, jetzt würden 180-Euro-Bälle einfach verbolzt. »Das sind die Kleinigkeiten, auf die wir auch in Zukunft aufpassen werden.« Kleinigkeiten, die den Spielern bewusst machen sollen, dass die privilegierte Situation, in der sie leben, keineswegs selbstverständlich ist.
Hoeneß griff in Dubai zum wiederholten Male das alte Thema vom Schweiß auf, den die Götter vor den Erfolg gesetzt haben – und eben auch vor das Geld. »Um Fußballprofi zu werden, muss man brutal hart arbeiten und auf Parties, Diskobesuche, Freunde, Freizeit verzichten.« Es war im Grunde dasselbe Thema, mit dem Bundestrainer Berti Vogts Jahre zuvor viel Resonanz in der Presselandschaft erzielt hatte: Der deutsche Fußball kranke daran, dass es nur noch verwöhnte Wohlstandsjünglinge gebe, die sich in ihrem Job nicht quälen könnten. »Man muss auch zwischendurch leiden, um etwas Großes zu machen«, schlug Hoeneß in dieselbe Kerbe. Seine These: Im heutigen Deutschland erfüllen die Eltern ihren Kindern alle Wünsche, im Überangebot der Freizeitmöglichkeiten werden die Jugendlichen viel zu früh satt, alle haben es viel zu leicht und müssen sich nie anstrengen, und dies sind denkbar schlechte Voraussetzungen, um große Fußballer mit spielerisch erarbeiteter Kreativität hervorzubringen. Seine Forderung: Man muss den bis auf
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