Das Prinzip Uli Hoeneß
Deutschlands im Jahr 1990, um mehr als 10.000 auf über 27.000 in der Saison 1994/95. Die weit verbreitete Befürchtung, dass zu viel Fernsehen die Zuschauer aus den Stadien treiben könnte, erwies sich als völlig unzutreffend. Richtig war die gegenteilige Auffassung, und die hatte stets Uli Hoeneß vertreten. Seine These: Die Zuschauer strömen in Massen in die Stadien, weil die tolle Inszenierung im Fernsehen eine Lust auf das Original hervorkitzelt. Auch die immer bombastischer gewordenen Werbespots von Firmen wie Adidas und Nike, in denen die Spieler zu Megastars stilisiert wurden, vermittelten den Leuten das Gefühl: »Wenn ich nicht dabei bin, habe ich etwas versäumt.« Und ganz besonders freute er sich über den Nebeneffekt, dass die Printmedien nicht mehr umhin konnten, dem Rechnung zu tragen. »Sie können es sich nicht mehr leisten, am Montag den Fußball niederzumachen, wenn am Samstag in Sat.1 alles fantastisch dargestellt wird. Irgendwann sagt der Zuschauer dann, einer von beiden hat keine Ahnung. Im Zweifelsfall heißt es dann: für das Fernsehen. Das hat uns unwahrscheinlich geholfen.«
Alles hätte also wunderbar sein können – hätte es da nicht die kleine Nebensächlichkeit gegeben, dass die Privaten auf Dauer nicht in der Lage waren, die Riesensummen, die der Fußball inzwischen kostete, zu refinanzieren. Es gab einfach eine Obergrenze dessen, was vernünftigerweise für die Übertragungsrechte bezahlt werden konnte. Aber es gibt ja nicht nur das Free-TV, meinte Hoeneß, dann müsse man eben aus dem Pay-TV mehr herausholen. Im Bezahlfernsehen hatte er schon in den achtziger Jahren die größte zukünftige Geldmaschine gesehen, und als dann 1990 der Pay-TV-Sender Premiere gestartet war, prophezeite er: »Pay-TV ermöglicht uns künftig, dass wir bei großen Spielen im Europacup oder um die Meisterschaft bis zu fünf Millionen Mark erhalten. In ein paar Jahren werden die großen Sportveranstaltungen alle im Pay-TV-Bereich senden. Das ist die Zukunft des Sports – und auch des Fußballs.«
Tatsächlich expandierte Premiere, das zunächst mit der Übertragung von nur einer Bundesligapartie pro Spieltag recht bescheiden gestartet war, in der Folgezeit rasch. Eine Ausbeutung des Fans, der ja nun zusätzlich für sein Abo zahlen musste, sah Uli Hoeneß nicht. Wenn durch das Free-TV eine Grundversorgung gesichert sei, meinte er, dann könne sich ja jeder Fan selbst entscheiden, ob er für eine Liveübertragung etwas zahlen wolle. Genau darin lag aber auch das Problem: Selbst das komplette Bundesligaprogramm, das man um der besseren Live-Vermarktung willen auf immer mehr Spieltage verteilte, erwies sich nicht als verlockend genug, um genügend Abonnenten für Premiere zu begeistern. In der Saison 2004/05, als Premiere für die Pay-TV-Rechte 180 Mio. Euro bezahlte, hoffte Hoeneß noch, dass der Sender bald rentabel werden könnte. Sechs Millionen Abonnenten seien in Deutschland möglich, meinte er, und dann seien 400 Mio. Euro für die Übertragungsrechte ein realistischer Preis. Das Problem an dieser Hoeneß-Rechnung war, dass sie auf falschen Zahlen beruhte. Premiere hatte den Anlegern beim Börsengang eine Verdoppelung der angeblich 3,3 Millionen Abonnenten vorausgesagt. Fakt war aber, dass diese Dynamik nicht eintraf und sogar die offiziellen Abozahlen nicht stimmten. Wie später herauskam, hatte der Sender damals lediglich 2,41 Millionen Abos.
Das Pay-TV war eben doch nicht ganz der Goldesel, den Hoeneß in ihm vermutete – und das, obschon Premiere bereits über die Hälfte der für die gesamten Übertragungsrechte gezahlten Summe trug. Auch die goldenen Zeiten des privaten Free-TV waren vorbei. Medienmogul Leo Kirch ging pleite, und so fielen die Rechte für das frei empfangbare Fernsehen ab 2003 für deutlich weniger Geld als geplant wieder in die Hände der Öffentlich-Rechtlichen. Hoeneß wollte freilich nicht aufgeben. Er forcierte seine Suche nach kräftig sprudelnden Geldquellen und störte sich nicht daran, mit höchst widersprüchlichen Argumenten zu operieren. Nun konnte man einen gespaltenen Bayern-Manager erleben, der einerseits das Pay-TV weiterhin mit allen Mitteln zu pushen versuchte und andererseits von ARD und ZDF die Rettung der Bundesliga forderte. Die Bundesliga, meinte er nun plötzlich, sei bei der ARD im Grunde viel besser aufgehoben als bei den Privaten, denn bei der Sportschau gebe es nur zwei Werbeblöcke und damit Fußball quasi pur. Eine Euphorisierung des
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