Das Prinzip Uli Hoeneß
dem Branchenführer und den »kleinen« Vereinen noch größer geworden. Hoeneß konnte sich aber, weil er sich ja für die Beibehaltung der Zentralvermarktung eingesetzt hatte, als Wohltäter darstellen: »Aus der Sicht der großen Klubs ist die Einzelvermarktung immer besser, und trotzdem bin ich total dagegen, weil es dann nur noch Bayern, Dortmund und zwei, drei andere Klubs gäbe.« Allerdings, schob er nach, sei es nur gerecht, wenn die Bayern von ihrem sportlichen Status wenigstens einigermaßen angemessen profitieren: »Es kann nicht sein, dass man auch noch den letzten Euro teilt.«
Zufrieden war der Manager freilich noch immer nicht, selbst wenn sich einiges zum (Bayern-)Besseren geändert hatte. Die anderen, die Engländer und die Südeuropäer, waren immer noch viel zu weit weg. Was also war zu tun? »Ich habe immer noch die Hoffnung, dass jemandem einfällt, wie man Pay-TV in Deutschland profitabel betreiben könnte«, erläuterte er im März 2009 dem Fachblatt »Wirtschaftswoche« – um dann plötzlich eine ganz andere Idee in die Welt zu setzen: »Am besten wäre es allerdings, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender alle Fußballrechte kaufen und dem Bürger Fußball quasi gratis nach Hause senden würden.« Quasi gratis? Was meinte er damit? »Meine große Hoffnung ist, dass die Leute irgendwann bereit sind, zwei Euro im Monat für Fußball zu bezahlen. Das ist nicht mal eine halbe Schachtel Zigaretten oder ein kleines Bier in der Kneipe.« Quasi gratis – damit war also eine Fußballpauschale von zwei Euro monatlich gemeint, die zusätzlich zu den Rundfunkgebühren von knapp 18 Euro einzuziehen wäre. Mit zwei Euro, so hatte Hoeneß ausgehend von 37 Millionen Fernsehhaushalten ausgerechnet, käme man in die Nähe der Erträge, deren sich die europäische Konkurrenz erfreuen darf. »Ja, das wären im Monat rund 75 Millionen Euro, im Jahr gut 900 Millionen. Damit kämen wir den 1,2 Milliarden Euro in England und den 1,1 Milliarden in Italien sehr nahe. Das wäre mal was, das wäre dreimal so viel, wie die erste und die zweite Liga derzeit pro Saison bekommen. Dann könnte jeder praktisch kostenlos Fußball gucken.« Und dann könnte sich auch jeder, verkündete er enthusiastisch, an neuen Erfolgen seiner finanziell enorm aufgebesserten Bayern ergötzen. »Stellen Sie sich vor, wir hätten 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Da würde ich unseren Fans glatt den Champions-League-Sieg in Aussicht stellen.«
Hoeneß’ revolutionärer Vorschlag schlug hohe Wellen, vom Mann auf der Straße über Kommentatoren in den Medien bis hin zum Politiker hagelte es Kritik an dieser »irrwitzigen« und »unsozialen« Idee. Obwohl sie gar so neu eigentlich auch nicht war, denn Hoeneß hatte seit der Rückkehr der Bundesliga-Berichterstattung zu den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten das Thema Gebührenerhöhung bereits mehrmals angesprochen. Zehn Cent war seine Ausgangsforderung, dann hatte er auf einen Euro erhöht. Nun also zwei Euro – und Proteste. Der Vermarktungsprofi Hoeneß dürfte davon nach all seinen früheren Erfahrungen kaum überrascht gewesen sein, gab sich aber dennoch unschuldig-erstaunt und ärgerlich. In der Sendung »Blickpunkt Sport« im Bayerischen Fernsehen erläuterte er, dass er seinen Vorschlag nur »für den Fall« gemacht habe, dass Premiere nicht funktioniere und künftig nicht genügend Geld über das Bezahlfernsehen hereinkomme. »Da war viel Polemik im Spiel«, entgegnete er seinen Kritikern. »Manchmal frage ich mich, ob die Leute noch richtig lesen können. Ich habe nicht zwei Euro gefordert, ich habe gesagt, es wäre mein Wunsch. Es soll eine freiwillige Geschichte sein. Wer zahlt, bekommt den Kanal freigeschaltet, wer das nicht möchte, der eben nicht. Aber ein Fan, der für so wenig Geld vier Tage Fußball pur bekommt, der wird sich das überlegen. Es gibt, außer Fußball, keine Sportart, die flächendeckend so viele Menschen anzieht.«
Keine Zwangsabgabe nun also, sondern eine freiwillige Geschichte. Also vielleicht ein paar Haushalte weniger, so etwa »20 bis 25 Millionen«, das würde ja auch schon reichen. Dass er mit dieser stillschweigend korrigierten Grundannahme seine ursprünglichen Ertragserwartungen um mehr als ein Drittel heruntergerechnet hatte, vergaß er zu erwähnen. Aber mit solchen Unstimmigkeiten hielt er sich nicht lange auf, wenn es darum ging, durch öffentliche Provokation mal kurz auszutesten, was möglich sein könnte. Fußball für zwei
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