Das Prinzip Uli Hoeneß
Fußballs wie bei »ran« fand er auf einmal gar nicht mehr gut. »Wenn ein Spiel gut ist, muss ein Reporter auch mal ausflippen und ein Edi Finger sein. Und wenn Mist gespielt wird, kann man den Finger in die Wunde legen.« Auf das ganze Brimborium drum herum könne man locker verzichten: »Wenn da die Spiele der Reihe nach gezeigt werden und der Kommentar ordentlich ist, dann brauchen wir keine Show wie bei ran.«
Es war noch nicht lange her, da hatte Hoeneß behauptet, man könne hinter das von den Privaten gesetzte Niveau nicht mehr zurückgehen. In gewisser Weise hatte er damit sogar Recht behalten, denn tatsächlich wechselten nun viele Moderatoren der Privaten – unter ihnen auch der Sat.1-Sportchef Reinhold Beckmann – zur »Sportschau«, die sich anschließend erwartungsgemäß in der Art der Präsentation »privatisierte«. Die Privaten hatten gewissermaßen ihre Schuldigkeit getan – sie hatten das Monopol der Öffentlich-Rechtlichen gebrochen, die Preise in die Höhe getrieben und den Eventcharakter des Fußballs forciert und zur Norm gemacht. Nur: Die 412 Mio. Euro, die ARD, ZDF, DSF und Premiere ab 2009 pro Saison zahlten, waren Hoeneß im internationalen Vergleich immer noch bei weitem nicht genug. Vor allem genügte ihm der Anteil nicht, den die Bayern davon erhielten.
Fußball quasi gratis
Es war schon seltsam: Auch nachdem die Bundesliga den höchsten Zuschauerzuspruch in Europa erreicht hatte und deutliche Einnahmesteigerungen aus der TV-Vermarktung aufweisen konnte, blieb sie in puncto Fernsehgelder weiterhin hinter den Ligen in England, Spanien und Italien, ja selbst hinter der in Frankreich, deutlich zurück. Was der FC Bayern in Deutschland aus TV-Einnahmen erzielen könne, das sei, so das Hoeneß-Resümee vom März 2009, kein Batzen, sondern »eher ein Kügelchen. Wir verdienen 50 Millionen Euro aus Fernsehrechten, davon stammen gerade 30 Millionen aus der Bundesliga. Den Rest erzielen wir aus internationalen Spielen. Und das ist ein großes Problem. Hier gibt es den riesigen Unterschied zu den Topklubs in England, Spanien und Italien. Die erhalten aus der TV-Vermarktung der nationalen Ligen jeweils zwischen 80 und 130 Millionen Euro, also fast drei- bis gut viermal so viel. Diese Differenz wird auf die Dauer dazu führen, dass der deutsche Fußball enorme Schwierigkeiten bekommt, international mitzuhalten und irgendwann noch einmal die Champions League zu gewinnen.«
Ursächlich für die unerquickliche Situation war jedoch nicht allein der Unterschied in den absoluten Zahlen, sondern das, was Hoeneß als den deutschen »Fernsehgelderverteilungswahn« bezeichnete. Das Prinzip der Zentralvermarktung versuchte er schon seit Jahren aufzubrechen. Es konnte doch nicht sein, dass die Bayern von den Bundesliga-Fernsehgeldern nur ebenso viel erhielten wie der Tabellenletzte. Man habe hier das »größte Sozialsystem der Welt« und eine Ungerechtigkeit sondergleichen vor sich. Seine Forderung lautete stets: Die Bayern müssten als das mit Abstand größte Zugpferd der Bundesliga, von dem die TV-Anstalten mit enormen Einschaltquoten und entsprechenden Werbeinnahmen überproportional profitierten, einen entsprechend höheren Betrag erhalten. Auf viel Gegenliebe stieß er mit seinen Vorstoß nie, aber er konnte dennoch durchsetzen, dass im Lauf der Jahre ein immer größerer Teil des Geldes leistungsabhängig, also nach Tabellenplatz, zugeteilt wurde.
Einen gewissen Höhepunkt der Auseinandersetzungen stellte das Jahr 1997 dar, als Hoeneß das Thema Einzelvermarktung erstmals mit Wucht in die Debatte schleuderte: Zumindest die Livespiele, schlug er vor, sollten von jedem Verein eigenständig im Pay-TV vermarktet werden dürfen. Dem heftigen Widerstand der Liga-Mitläufer gegen diesen Vorschlag folgten deftige Auseinandersetzungen. Sie gipfelten in der Drohung der Bayern, notfalls aus der Solidargemeinschaft Bundesliga ganz auszusteigen. Schließlich wurde der Bayern-Manager mit in die Liga-Kommission geholt, die sich dann zwar für eine Beibehaltung der Zentralvermarktung entschied, aber zugleich das Solidarprinzip weiter aufweichte. Vom Anteil der Erstligisten wurde die Hälfte der Erlöse zu gleichen Teilen an die Klubs aufgeteilt, die andere Hälfte ging gestaffelt nach Leistung an die Vereine. Unter dem Strich bedeutete diese Veränderung, dass der FC Bayern etwa das Zweieinhalbfache dessen erhielt, was für einen Verein aus dem unteren Tabellendrittel abfiel. Damit war der Kluft zwischen
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