Das Prinzip Uli Hoeneß
entgegenschlug. »Meine Person wurde durch die Medienmaschinerie in einer Form diffamiert, wie noch nie ein Mensch in dem Geschäft schuldlos diffamiert wurde. Selbst gute Freunde wussten nicht mehr, hat er was Falsches gesagt oder nicht. Meine Tochter hatte an der Universität mit Professoren Theater, die sie wegen ihres Vaters beschimpften, den sie nicht kennen. Mein Sohn hat als Lehrling in der Bank mit Hunderten von Leuten zu tun. Er bekam zum ersten Mal seit fünf Jahren Pickel.« Seine Kinder kamen in dieser Zeit jeden Abend zum Vater, um ihm Beistand zu leisten. Den hatte er tatsächlich nötig. Die Affäre Daum – beinahe wäre sie für Uli Hoeneß zu einem Showdown geworden.
Den Hintergrund der Affäre gab der in dieser Zeit dramatische Niedergang der deutschen Nationalelf ab. Nach der verkorksten Europameisterschaft 2000, bei der das DFB-Team als Titelverteidiger schon in der Vorrunde als Gruppenletzter ausgeschieden war, hatte Rudi Völler, damals Sportdirektor bei Bayer Leverkusen, den erfolglosen Erich Ribbeck abgelöst. Völler sollte nach dem Wunsch einer vom DFB zur Findung eines neuen Bundestrainers eingesetzten »Task-Force-Kommission« aus führenden Vertretern des deutschen Fußballs den Posten ein Jahr lang innehaben und zum 1. Juni 2001 durch Christoph Daum, damals Trainer bei Bayer Leverkusen, abgelöst werden. Niemand hatte damit gerechnet, dass der »Notnagel« Völler, der lediglich das Schlimmste verhindern sollte, seine Sache dann überaus erfolgreich gestaltete. Am 16. August schlug Deutschland Spanien mit 4:1, am 2. September folgte ein 2:0-Sieg gegen Griechenland in der WM-Qualifikation. Der »Kicker« fragte daraufhin bereits, ob Daum überhaupt noch der richtige Mann für den Posten sei. Und auf die Frage des Fachblattes, ob er nicht mögliche Kampagnen fürchte, antwortete Daum eigenartig sibyllinisch: »Dass Kampagnen gegen mich gestartet werden, kann ich nicht ausschließen.«
Die Kampagnen starteten dann nicht im seriösen »Kicker«, sondern in verschiedenen Boulevardblättern, wobei vor allem die Münchner »Abendzeitung«, der Kölner »Express« und natürlich die »Bild« eine Hauptrolle spielten. Die Gerüchteküche wurde zunächst angeheizt mit Anschuldigungen des inhaftierten Immobilienmaklers Heinz Kress, des Ex-Freundes von Daums Lebensgefährtin Angelika Camm, der von undurchsichtigen Immobiliengeschäften auf Mallorca sprach. Gerüchte über Schnupforgien und wilde Partys mit Prostituierten wurden dann zuerst von der Müncher »Abendzeitung« kolportiert. Daum reagierte zunächst seltsam defensiv und meinte, er sei sich nicht mehr sicher, ob er Bundestrainer werden wolle. Der Kölner »Express« zitierte ihn mit den Worten: »Wer sich da jetzt alles aus dem Jenseits, dem Knast und dem Milieu melden darf. Unglaublich. Das zeigt Wirkung bei mir.« Am 27. September hatte er sich aber wieder gefasst und erklärte »definitiv«, dass der Handschlag mit Gerhard Mayer-Vorfelder, dem geschäftsführenden DFB-Präsidenten, immer noch gültig sei und er bald seinen Vertrag als Bundestrainer unterzeichnen werde.
Fünf Tage später, am Sonntag, den 1. Oktober, äußerte dann Uli Hoeneß erstmals öffentlich seine Zweifel an einem zukünftigen Bundestrainer Christoph Daum. Die Nationalmannschaft machte sich da gerade auf den Weg nach England zum WM-Qualifikationsspiel im Londoner Wembley-Stadion, und vor diesem Hintergrund äußerte der Bayern-Manager, der als Mitglied der Task-Force ursprünglich für einen künftigen Bundestrainer Daum votiert hatte, gegenüber der »Bild am Sonntag«: »Ich hatte allen geraten, mit Daum bis zur Winterpause zu warten. Wenn Völler in England 2:0 gewinnt, muss das Thema neu diskutiert werden.« Am nächsten Tag brachte die Münchner »Abendzeitung« einen Artikel mit der Überschrift »Hoeneß: Daum nicht mehr tragbar«. Darin wurde der Bayern-Manager mit folgenden Worten zitiert: »Es geht darum, was sich in den letzten sechs Monaten ereignet hat um Herrn Daum, um sein privates Umfeld, seine Werbeverträge, um Erpressungsversuche und Prostituierte, wovon er ja selber gesprochen hat, um all die Scheiße geht es, um seine Außendarstellung und um die Frage, ob dies alles dazu geeignet ist, der oberste Trainer in einem Land wie Deutschland zu sein. (…) Ich kann doch neue Erkenntnisse haben. Und wenn ich glaube, dass die Berufung von Daum zum Bundestrainer eine falsche Entscheidung ist, dann muss ich das sagen. (…) Wenn das alles Fakt ist,
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