Das Prinzip Uli Hoeneß
und die DFB-Führung zielen, um dieses letzte Bollwerk gegen Allmachtansprüche des FC Bayern auszuschalten. Vor allem die Macher von »Bild«, denen der gegen den Boulevard stets kritische Hoeneß schon lange ein Dorn im Auge war, stellten den Bayern-Manager täglich an den Pranger. Höhepunkt war ein Gastkommentar der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. »Es darf nicht einreißen, dass die Beweislast umgekehrt wird«, meldete sie sich zu Wort. Keinem könne wohl sein bei »dieser Mischung aus üblen Gerüchten«. Der Rechtsstaat habe »klare Regeln: klare Anschuldigungen, klare Beweise! Das gilt auch für Hoeneß.«
Am selben Tag, an dem die Schelte der Justizministerin erschien, am Dienstag, den 10. Oktober, lud der nach München zurückgekehrte Bayern-Manager um zwölf Uhr zur Pressekonferenz ins Arabella Sheraton. Hoeneß erschien etwas verspätet in schwarzem Anzug und hellgrauer Krawatte und wirkte so angespannt wie selten zuvor. »Wer heute gekommen ist, um das Platzen einer Bombe zu erleben, der wird enttäuscht werden«, begann er vor 21 Kamerateams, 17 Fotografen und mehr als 100 Vertretern der schreibenden Zunft mit einer insgesamt 35 Minuten dauernden Erklärung. Es war nicht die von allen erwartete Entschuldigung, sondern eine Darstellung seiner Sicht der Dinge, bei der er, anders als sonst bei ihm üblich, nicht frei sprach, sondern als Anwalt in eigener Sache vorformulierte Sätze vom Blatt ablas. Nach einer ausführlichen Darstellung der Chronologie der Ereignisse kam er auf die inkriminierten Zitate in der »AZ«-Ausgabe vom 2. Oktober zu sprechen und erklärte, dass er in dem damaligen Interview lediglich auf einen am 26. September unter der Überschrift »Die Akte Daum« erschienenen »AZ«-Artikel Bezug genommen habe. Keinesfalls habe er behauptet, dass Christoph Daum Drogen konsumiere, sondern lediglich, dass er nicht Bundestrainer werden könne, wenn sich die Gerüchte als Fakten bestätigen würden. Zu dieser Meinung stehe er, und was den Rest betreffe, sei er falsch zitiert worden. »Die zum Thema Sex erhobenen Vorwürfe stammen nicht von mir. Deshalb gilt ab sofort, dass jeder, der weiterhin behauptet, ich hätte in Verbindung mit dem Namen Daum gesagt, er stünde mit Drogen und Prostituierten in Verbindung, von mir verklagt wird.«
»Wie würden Sie reagieren, wenn es solche Gerüchte wie bei Daum um Sie geben würde?«, fragte ein Journalist, und Hoeneß antwortete: »Ich würde mich wehren, ganz klar.« Einige Zeit später begründete Hoeneß seine Intervention in Sachen Daum dezidiert damit, dass er ein scharfes Dementi der Gerüchte und Vorwürfe vermisst habe. »An Daums Stelle hätte ich den Journalisten 17 Anwälte auf den Hals geschickt mit dem Auftrag, eine Gegendarstellung zu erreichen.« Erstaunlicherweise wählte Daum aber genau den umgekehrten Weg. Bereits einen Tag vor Hoeneß’ Pressekonferenz hatte er bekannt gegeben, dass er sich »in Anwesenheit von DFB-Arzt Dr. Josef Schmitt und eines Notars« eine Haarprobe habe entnehmen lassen. »Ich tue das«, begründete er, »weil ich ein absolut reines Gewissen habe.«
Es war wohl nicht zuletzt Daums Offensive, die Hoeneß nun endgültig ins Abseits stellte. Niemand konnte ernsthaft annehmen, dass der Leverkusener Trainer sich freiwillig einer solchen Prozedur unterziehen würde, wenn er ernsthaft eine Bestätigung der Vorwürfe befürchtet hätte. In einem Moment, da allgemein eine Entschuldigung erwartet wurde, musste Hoeneß’ Verteidigungsrede ins Leere laufen. Und da er sich nicht nur nicht entschuldigte, sondern sich noch dazu gleichsam zum moralischen Gewissen des deutschen Fußballs stilisierte, erntete er nur Spott und Feindseligkeit. »Hoeneß allein in Deutschland«, schrieb der Kölner »Express«: »Kaum jemand glaubt ihm.« Die »Bild« kannte keinerlei Schamgrenzen mehr und zeigte den Bayern-Manager mit einem Heiligenschein auf dem Titel: »Heiliger Hoeneß – Ich hab’ doch gar nichts gemacht.« Im selben Blatt griff Paul Breitner seinen früheren Zimmergenossen erneut scharf an. Über Vorwürfe gerüchteweise zu sprechen, sei das Hinterletzte. »Uli und der FC Bayern werden aus der ganzen Sache nicht so leicht herauskommen«, urteilte er. »Es wird Jahre dauern, bis sie ihre Seriosität und ihre Ansehen zurückgewinnen.« Im Berliner »Tagesspiegel« äußerte sich Leverkusens Manager Reiner Calmund, der sein freundschaftliches Verhältnis zu Hoeneß zwischenzeitlich aufgekündigt hatte: »Ich bin froh,
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