Das Prinzip Uli Hoeneß
dass Uli einen Rückzug angetreten hat. Aber wir müssen ihm dafür keinen Orden verleihen. Das hat nichts von Edelmut.«
Am 15. Oktober musste der FC Bayern ins Cottbusser »Stadion der Freundschaft« reisen. Dort schlug dem Bayern-Manager offener Hass entgegen, nachdem Cottbus’ Präsident Dieter Krein die Atmosphäre mit der Äußerung, Hoeneß sei ein »relativ unflätiger Mensch« und »ein Gemeinschaftsfeind«, noch zusätzlich angeheizt hatte. Die war auch so schon gefährlich genug: Im Internet hatte ein Anonymus eine Prämie von 10.000 DM für denjenigen ausgesetzt, dem es gelänge, Hoeneß »von der Bank zu schießen«. Der Bayern-Manager erschien daher, begleitet von einem Pfeifkonzert und Buhrufen, mit Bodyguards in der Arena, die in diesem Moment eher den Namen »Stadion der Feindschaft« verdient gehabt hätte. Die 0:1-Niederlage beim Abstiegskandidaten geriet vor dem Hintergrund all dieser Vorgänge beinahe zur Nebensächlichkeit.
Währenddessen wurde Daum, der am selben Tag vom geschäftsführenden DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder nochmals als Bundestrainer in spe bestätigt wurde, beim Gastspiel seiner Mannschaft in Bremen nicht nur von den Leverkusener Fans umjubelt. Am Tag darauf stellte Sabine Christiansen in ihrem Sonntagabend-Talk die Frage: »Wird Rufmord gesellschaftsfähig?« Herta Däubler-Gmelin durfte ihre in »Bild« erhobenen Vorwürfe rechtfertigen (»Der Sport hat eine so große Bedeutung, dass man sich so nicht verhalten darf«), Daum-Anwalt Matthias Prinz erläuterte den Standpunkt seines Mandanten, und Uli Hoeneß wurde von seinem kleinen Bruder Dieter verteidigt. »Uli hatte eigentlich die Sorge um den Fußball im Kopf«, erläuterte der. »Jetzt wird er plötzlich für Dinge verantwortlich gemacht, wofür er nichts kann.«
Für das darauffolgende Wochenende hatte Christoph Daum seinen großen Triumph geplant. Der Bekanntgabe des negativen Ergebnisses seiner Haarprobe sollte eine Entschuldigung von Uli Hoeneß und schließlich die vor laufenden Kameras inszenierte Vertragsunterzeichnung als Bundestrainer folgen. Niemand hätte gedacht, dass alles ganz anders kommen könnte – doch am Freitag, den 20. Oktober, kam alles ganz anders: Daum erhielt vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln die positiven Ergebnisse der Haarprobenanalyse. Er bat daraufhin die Geschäftsleitung von Bayer Leverkusen um die Entbindung von seinen Aufgaben, unterrichtete dann den Deutschen Fußball-Bund und setzte sich anschließend auf Anraten seines Mentors Calmund in Richtung Miami ab.
»Reiner Calmund rief mich am Freitagnachmittag an«, berichtete Uli Hoeneß über diesen Tag, der für ihn alles änderte. Am Wochenende war eigentlich – nach der erwarteten demonstrativen Entlastung Daums – unter Vermittlung von Gerhard Mayer-Vorfelder eine Aussprache geplant gewesen: zwischen Hoeneß auf der einen und Daum sowie dessen Anwalt auf der anderen Seite. Verhandelt werden sollten Schadensersatzansprüche gegen den »Verleumder« Hoeneß. Und nun das. »Stell dir mal vor«, sagte Calmund laut Hoeneß am Telefon über den Laborbefund, »der Verrückte hat einen Wert, so was haben die noch gar nicht gemessen.«
In Leverkusen gab Reiner Calmund bekannt, dass die Wege des Vereins und seines Übungsleiters sich fortan trennen würden. Gerhard Mayer-Vorfelder zog für den DFB nach: »Der Handschlagvertrag mit Daum ist gegenstandslos.« Der »Spiegel« titelte am nächsten Montag: »Aus der Daum.« Andere Zeitungen witzelten, dass ein Kokainsüchtiger »um ein Haar« Bundestrainer geworden wäre – und damit oberster Schirmherr über die DFB-Kampagne »Keine Macht den Drogen«. Und man rätselte, ob der Mann, der freiwillig die Beweislast umgekehrt und seinen eigenen Kopf präsentiert hatte, nicht nur auf Drogen, sondern vielleicht auch nicht ganz dicht war. Selbst die »Bild«, die kurz zuvor noch den empörten Daum-Anwalt gegen den Stänkerer Hoeneß gespielt hatte, schwenkte nun um und beschrieb das Privatleben des exzentrischen Trainers als »Sumpf aus Drogen und Sex«; Sportchef Alfred Draxler beschwerte sich öffentlich, dass plötzlich immer mehr »Klugscheißer«, die von Daums Sucht gewusst hätten, »aus ihren Löchern« kämen.
Nachgedanken – und verlorene Freunde
Der zur Unperson abgestempelte Hoeneß, der später von der »Sport-Bild« zum »Mann des Jahres 2000« gekürt wurde, hatte am Ende auf geradezu triumphale Weise Recht behalten. Er erstrahlte im Glanz eines
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