Das Prinzip Uli Hoeneß
aufhalten können. »Den einzigen Fehler, den ich mir vorwerfen kann, ist, dass ich zu spät versucht habe, die Sache richtigzustellen; dass ich unterschätzt habe, welche Auswirkungen meine verfälschten Äußerungen hatten«, kritisierte er sein schlechtes Krisenmanagement in der ersten Wochen nach dem ominösen »AZ«-Interview. Als er die Ausmaße registriert habe, sei die Sache schon eine Woche am Laufen gewesen – »und da hatte ich natürlich Probleme, alles wieder zurechtzurücken. Aber ansonsten würde ich meine Aussage, wie ich sie dem Journalisten gegeben habe, jederzeit wiederholen.«
Manöverkritik ja, Selbstkritik nein – so könnte man Hoeneß’ Nachgedanken zusammenfassen. Dabei hätte er sich durchaus einmal fragen können, warum er derart heftig und nachhaltig ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Es war ja keineswegs normal, dass er selbst nach der Entlarvung Daums außer Undank nicht viel hatte ernten können. Uli Hoeneß wusste vermutlich frühzeitig, dass die Vorwürfe gegen Daum berechtigt waren und dies früher oder später auch herausgekommen wäre. Es war also durchaus richtig, auf eine Klärung zu dringen, bevor Daum sein Amt als Bundestrainer antrat. Aber es wäre sicher möglich gewesen, den Verdacht in der Öffentlichkeit besser zu kommunizieren. Viel von der Aufregung hätte sich wohl vermeiden lassen, wenn Uli Hoeneß in dieser heiklen Angelegenheit etwas vorsichtiger vorgegangen wäre.
Immerhin wurde ihm bewusst, dass er auch zu einem Opfer der langfristigen Wirkung seiner eigenen Öffentlichkeitspolitik geworden war. »Vielleicht«, meinte er, war alles so heftig gekommen, »weil ich schon immer eine Person war, die sehr polarisiert hat, die immer nur in den Kategorien schwarz oder weiß beurteilt wird. Es haben sich natürlich alle zu Wort gemeldet, die mich schwarz sehen.«
Da ist viel Wahres dran. Uli Hoeneß ist nicht erst während der Daum-Affäre zu einer Hassfigur geworden; als provokativer Wüterich hatte er sich in Deutschlands Fußballtheater schon lange zuvor die Hauptrolle des größten Bösewichts erobert. Und nur deswegen konnte auf dem Höhepunkt der Daum-Affäre der Song »Du bist ein Hoeneß« des stets unter die Gürtellinie schlagenden Comedian Ingo Appelt zu einem Erfolg werden. »Will man richtig Fieses sagen, / ganz gemein Obszönes, / muss man einfach dieses sagen: / ›Du bist ein Hoeneß!‹ / (…) Wenn du erstmal Hoeneß bist, / dann wirst du richtig angepisst. / Als Hoeneß wirst du ausgebuht … «
Exkurs
Der Privatmann
Uli Hoeneß ist ein öffentlicher bzw. veröffentlichter Mensch. Aber außer bei einer Affäre, die Züge einer klassischen Midlifecrisis trug, sorgte der Privatmann Uli Hoeneß für keinerlei Schlagzeilen. Viel weiß man nicht von ihm. Die Hobbys und Vorlieben des Managers, der sich selbst als »zufriedenen Menschen« bezeichnet, sind überschaubar. »Neben Job, Familie und Unternehmen bin ich zum begeisterten Golfspieler geworden«, beschrieb er seine größten Leidenschaften. Doch selbst da dominierte oft der Job. Wenn man mit ihm beim Golfen sei, berichtete Oliver Kahn, könne es passieren, dass er am sechsten Loch sechs Mal telefoniert. Vor dem Golfen war neben dem Porschefahren das Tennisspielen sein Lieblingssport, im Winter das Skifahren. Als seine Lieblingsinterpreten nannte er Abba und Phil Collins, als bewunderte Leinwandstars Steve McQueen, Jean-Paul Belmondo und vor allem Dustin Hoffman. Er weine sehr leicht und oft, gestand er, schon wenn er nur einen Heimatfilm sehe. Die Zeit vergesse er, sagte er einmal, wenn er »in Südfrankreich am Strand im Liegestuhl liege und ohne Zeitdruck aufs Meer hinaus« schaue. Mehr als ein, zwei Urlaubswochen am Stück aber genehmigte sich der umtriebige Manager nie, über den Franz Beckenbauer in seiner Laudatio zum 50. Geburtstag bemerkte: »Die schlimmste Strafe, die man ihm auferlegen könnte, wäre eine Verdammung zum ewigen Urlaub.« Bliebe noch abrundend Hoeneß’ Lob für seine Frau zu referieren. »Ich weiß, dass ich das, was ich bin, nie ohne meine Frau geworden wäre, die mir im Hintergrund so viele Dinge abnimmt und die mich so unabhängig macht.« In diesem Sinne, meinte er, seien für ihn Familie und Beruf »unzertrennbar« miteinander verbunden.
Seine Frau Susanne hat ihm auch das Büro am Ende des Flurs im zweiten Stock des Bayern-Geschäftssitzes an der Säbener Straße eingerichtet. Es wäre in einem Handwerksbetrieb nicht sonderlich aufgefallen. Gerade mal 60
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