Das Prinzip Uli Hoeneß
unzensiert aus ihm heraus. »Die Bremer sollen ruhig oben stehen bis Weihnachten«, tönte er. »Aber der Nikolaus war noch nie ein Osterhase. Am Ende wird der FC Bayern wie immer vorne sein.« Kurz darauf biss sich Hoeneß schon wieder auf die Lippen und verkündete während des Winter-Trainingslagers in Dubai seine endgültige Wandlung vom Saulus zum Paulus. »Verhöhnungen und Beleidigungen gibt es bei mir nicht mehr«, kündigte er an und fügte hinzu, dies gelte nicht nur für den Lieblingsfeind Werder Bremen, »sondern für alle Duelle«. Er habe aus den Erfahrungen der letzten 20 Jahre gelernt, er werde daher Kampfansagen künftig unterlassen und Diskussionen nur noch »auf einem Niveau des gegenseitigen Respekts« führen. Und in der Meinung, dass seine Wandlung endlich auch in der Öffentlichkeit registriert werde, konstatierte er befriedigt: »Was mich stolz macht: Ich bin, glaube ich, kein Feindbild der Liga mehr.« Das mochte aufrichtig und nett gemeint sein, bitter war jedoch, dass die Bayern in dieser Saison von den Gegnern nicht mehr so richtig ernst genommen wurden und das Duell mit den Bremern nur eine Nebenrolle spielte: Meister wurde diesmal der VfB Stuttgart, Bremen und München landeten abgeschlagen auf den Plätzen drei und vier.
Kaum war die Saison vorbei, gab es wieder Stunk, diesmal wegen des inzwischen in die Wege geleiteten Wechsels des Werder-Stürmers Miroslav Klose. Uli Hoeneß warf den Bremern vor, ihre Fans nicht daran gehindert zu haben, den Neu-Bayern beim Ligapokalspiel am 21. Juli 2007 in Düsseldorf zu beschimpfen. In der Halbzeitpause des Spiels lieferten sich Hoeneß und Allofs vor laufenden Premiere-Fernsehkameras ein hitziges Streitgespräch, das durch Bremer Fangesänge – »Hoeneß, du Arschloch!« – auch noch stilgerechte Begleittöne erhielt. Nach dem Spiel hatte sich Hoeneß trotz eines deutlichen 4:1-Sieges seiner Bayern immer noch nicht beruhigt. »Es kann nicht sein, dass Klose von den Bremer Fans immer noch angegriffen wird. Da hätte schon längst ein Machtwort der Bremer Führung gesprochen werden müssen. Das habe ich vermisst«, ereiferte er sich und ergänzte: »Wenn unsere Fans so etwas machen, gehe ich da hin und kläre die Sache.« Allofs freilich sah den schwarzen Peter nicht bei sich, sondern beim Bayern-Manager: »Werder Bremen hat sich nichts vorzuwerfen. Wir haben kein Problem mit Miro, und Miro hat auch kein Problem mit uns. Ich finde es schade, dass Uli jetzt so reagiert hat. Im Vorfeld dieses Spiels wurde Öl ins Feuer gegossen.«
Die »Abteilung Attacke« des FC Bayern konnte und wollte einfach nicht zur Ruhe kommen. Und wenn an der Werder-Front mal Ruhe war, dann eröffnete Hoeneß eben eine neue, beispielsweise gegen 1899 Hoffenheim, das in der Saison 2008/09 als frecher Emporkömmling am Thron des Seriensiegers zu rütteln wagte. Nachdem die Münchner am 16. Spieltag gegen den damaligen Tabellenführer in der Nachspielzeit mit Glück einen 2:1-Erfolg erzielt hatten, packte Uli Hoeneß erstmals gegen den neuen Feind, Hoffenheims Trainer Rangnick, das grobe Schlagholz aus. Dessen »Besserwisserei« gehe ihm auf die Nerven, der könne mit der Höhenluft überhaupt nicht umgehen. Und zur Bayern-Weihnachtsfeier wies er den Hoffenheimern in seiner traditionellen Ansprache den ihnen gebührenden Platz an. »Es ist wichtig, dass die anderen für solche Überraschungen sorgen, und noch wichtiger, dass der FC Bayern die einzige Konstante in der Bundesliga bleibt!« Hoffenheim stürzte in der Rückrunde fast ins Bodenlose, die Bayern wurden zwar nicht Meister, blieben aber als Zweiter eine Konstante. Im ersten Spiel der nächsten Saison fand der Bayern-Manager dann in Hoffenheim-Mäzen und Klinsmann-Freund Dietmar Hopp einen neuen Partner zum Schlagabtausch. Nachdem Hoeneß ein rüdes Foul des Bayern-Rüpels van Bommel relativiert hatte – er könne mindestens drei Szenen nennen, in denen der Hoffenheimer Salihovic ebenso brutal zu Werke gegangen sei –, konterte Hopp diese Hoeneß’sche Exklusivwahrnehmung mitleidig-lässig: »Hoeneß ist nicht mehr ernst zu nehmen.«
Die Bayern werden weiterhin eine streitbare Konstante bleiben – mit einer »Abteilung Attacke«, die nicht ruhen wird. Gleichwohl: Selbst wenn Uli Hoeneß manchmal noch schrill übertreibt, so ist er im reiferen Alter insgesamt doch deutlich sanfter geworden. Als menschenfressenden Typen sieht den »Mister Bayern« heute kaum jemand mehr, die Feinde sind weniger geworden. »Als
Weitere Kostenlose Bücher