Das Prinzip Uli Hoeneß
sich durch versteckte Vorauszahlungen die Dienste eines Spielers zu sichern, der noch bei einem anderen Verein unter Vertrag stand – dann war das einfach nur normal. Es galt die britische Empire-Weisheit: »Right or wrong – my country.« Manchmal verband sich diese Moral recht kurios mit dem Hoeneß’schen Philantropismus, wie etwa im Fall des vom FC Bayern angeleierten Benefizspiels für den HSV-Spieler Karsten Bäron. Die Hilfe für den Sportinvaliden war zweifelsohne ehrlich gemeint, aber die Gesamt-Motivationslage des Bayern-Managers war durchaus komplexer. Es ging nicht nur um pure Nächstenliebe, sondern auch um die Befriedigung weniger hehrer Bedürfnisse. »Vom HSV bekam Bäron nur ein Trikot, von uns eine FC-Bayern-Edel-Uhr«, kommentierte Uli Hoeneß den Gabentisch des Beschenkten. »Er soll ein Leben lang daran denken, dass er mit der Vertragsauflösung einen Fehler gemacht hat.« Außerdem habe er den Zuschauern in Hamburg einen Denkzettel verpassen wollen, da diese den FC Bayern bei seinem letzten Auftritt ausgepfiffen hatten. »Mit dem Abschiedsspiel haben wir auch Hamburgs Zuschauer verarscht«, meinte er im Stile eines recht unheiligen Samariters. Hoeneß’ Moral lautet demnach: Helfen ist gut, dabei dem Konkurrenten zugleich einen Seitenhieb zu verpassen und sich selbst bzw. den FC Bayern in ein gutes Licht zu stellen, ist noch viel besser.
Das Hoeneß’sche Bayern-Sozialwerk
Die Antriebe des Uli Hoeneß speisten sich oft aus vielfältigen Quellen. Gleichwohl wäre es vollkommen falsch, nun jeder seiner Sozialaktionen doppelbödige Motive zu unterstellen. Natürlich störte es ihn nicht, wenn er nebenbei den Ruf seines Vereins verbesserte und ihm neue, von der Bayern-Menschlichkeit begeisterte Fans zuführen konnte. Für das aufrichtige »Sozialtier« Uli Hoeneß aber zählte immer nur die echte Hilfe, und nichts außerdem. Es gibt in Deutschland keinen Verein, der in den vergangenen Jahren so viel an hilfsbedürftige Menschen spendete wie der als arrogant verschrieene Nobelklub aus München. Es waren nicht selten fünf- oder gar sechsstellige Beträge, die der FC Bayern aus seinem Vermögen und der Manager aus seiner Privatschatulle wohltätigen Organisationen oder schwer erkrankten Menschen zur Verfügung stellten.
Begonnen hatte alles, wie bei Hoeneß eigentlich nicht verwunderlich, aus Trotz. Während der Saison 1976/77 hatte es ein Gespräch im Sportstudio des ZDF gegeben, erläuterte der damals 25-jährige Bayern-Profi, »und da ist es auch um mein angeblich so horrendes Gehalt bei Bayern München gegangen. Ich war es leid, mir das andauernd vorhalten zu lassen, und da hab’ ich gesagt, dass ich ab sofort jeden Monat zehn Prozent von meinen Einkünften den Sorgenkindern zur Verfügung stelle.« Vielleicht steckte hinter dieser Entscheidung zu einer Dauerspende für spastisch gelähmte Kinder aber auch mehr als nur Trotz. Denn gegen Ende seiner Spielerlaufbahn war er in seinen öffentlichen Äußerungen immer häufiger nachdenklich geworden. »Am Anfang meiner Laufbahn habe ich den Fehler gemacht, nur ans Geld zu denken«, lautete so eine Äußerung. »Ich wollte möglichst viel auf die hohe Kante scheffeln und vergaß manchmal dabei, dass es noch wichtigere Dinge gibt, als ein dickes Bankkonto zu haben.«
Zu diesen wichtigeren Dingen zählte insbesondere die Mitmenschlichkeit. Die war bei ihm auch vorher nie verschüttet, aber gezeigt hatte er sie nur bei seltenen Gelegenheiten, so etwa im Jahr 1975 im Rahmen eines Europapokalspiels bei Ararat Eriwan. Als Uli Hoeneß während des Rückflugs erfuhr, dass sich der mitgereiste Sportjournalist Hans Blickensdörfer während des Aufenthalts durch eine Verletzung am Daumen eine Blutvergiftung zugezogen hatte, ließ er sofort per Funk einen Arzt in München verständigen, nach der Landung auf dem Flughafen Riem wurde Blickensdörfer dann von Susi Hoeneß abgeholt und sofort zur Operation gefahren. Der ebenso überraschte wie erfreute Empfänger dieser unerwarteten Hilfsleistung machte sich nach der Genesung sofort daran, das einseitige Hoeneß-Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Wer über Hoeneß schreibe, so Blickensdörfer, der dürfe nicht nur den extrem ehrgeizigen Profi im Auge haben, sondern der müsse auch von der »erstaunlichen Kehrseite« dieses Mannes schreiben, von dem »zweiten Hoeneß, der mit Geld- und Erfolgsgier nicht das Geringste am Hut hat«.
Obwohl Hoeneß in der Folgezeit seine mildtätigen Aktionen geradezu
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