Das Prinzip Uli Hoeneß
So wurde aus der Hertha binnen weniger Jahre eine Topadresse des deutschen Fußballs mit Champions-League-Ambitionen. Das Ziel, mit einem florierenden Hauptstadt-Verein die Attraktivität der gesamten Liga zu erhöhen, war erreicht. Und zudem – dies war ein durchaus beabsichtigter Nebeneffekt – hatten auch die Gönner aus München etwas davon: Die Millionenstadt Berlin war nun als Absatzmarkt für Fanartikel des regelmäßig dort aufkreuzenden FC Bayern viel besser erschlossen.
Es schlugen immer zwei Herzen in der Brust des Uli Hoeneß: das des Bayern-Managers und das des Fußballverrückten. Und manchmal schlugen diese zwei Herzen, was nicht verwunderlich ist, nicht im Takt. Um den Erfolg seiner Bayern zu sichern und vor allem deren Chancen im Kampf der europäischen Fußballgroßmächte zu erhöhen, musste er ihnen eine möglichst gute finanzielle Basis verschaffen, und das ging im Prinzip nur zu Lasten der Bundesligakonkurrenz. Damit aber die Bundesliga als sportlich interessanter Wettbewerb funktionierte, musste er zumindest ansatzweise eine Chancengleichheit sicherstellen. Wie sehr Hoeneß permanent zwischen diesen beiden Polen schwankte, lässt sich besonders gut an seinem Verhalten in Sachen Verteilung der Fernsehgelder ablesen. Er versuchte immer, einen höheren Anteil für seine Bayern herauszuschlagen und schaffte das auch, zugleich wusste er aber, dass der Ungleichverteilung Grenzen gesetzt waren. »Früher dachte ich nur an Bayern München«, äußerte er 1993 im »Fußballmagazin«. »Aber wir sind ja nicht blöd, wir wissen genau, dass wir nicht den Ast absägen dürfen, auf dem wir sitzen.« Und so machte er sich letztlich für eine Beibehaltung der Zentralvermarktung stark und damit für eine zumindest ansatzweise gleichmäßige Verteilung der Fernsehgelder. »Wirtschaftlich ist es für uns ein Nachteil, aber wir können nicht immer nur auf unseren Vorteil schauen, sondern wir müssen das Ganze sehen.« Die Bayern hätten ja überhaupt nichts davon, wenn keiner mehr mithalten könnte. »Wenn du keinen Wettbewerb hast, gehen die Leute nicht mehr hin.«
Für Uli Hoeneß war es ein Prinzip, nicht nur auf den eigenen Vorteil zu schauen – das schloss für ihn aber nicht aus, gleichzeitig das eigene Interesse zu verfolgen. Und manchmal lief das, jedenfalls in den Augen seiner Kritiker, nicht ganz sauber ab.
Anfang 2003 gab es einen Aufschrei der Liga, als ein »Deal« aufflog, den die Bayern drei Jahre zuvor mit dem Medienmogul Leo Kirch abgeschlossen hatten. Damals hatte Hoeneß die Idee der Einzelvermarktung ins Spiel gebracht, die dem FC Bayern enorme Mehreinnahmen gesichert hätte, war damit aber am Widerstand der Liga gescheitert. Der Verdacht lautete nun, die Bayern hätten bei den seinerzeitigen Verhandlungen um die Fernsehrechte nicht umsonst auf die Einzelvermarktung verzichtet, sondern sich von Kirch eine kräftige Kompensation gesichert. Tatsächlich hatte Kirch 21,5 Mio. Euro überwiesen, in einem Geheimvertrag waren ursprünglich sogar 97,5 Mio. vereinbart. Es habe sich nicht um Schmiergeld gehandelt, rechtfertigte sich Hoeneß, sondern lediglich um einen Vorschuss für eine spätere Pay-per-View-Vermarktung. Die Führung der DFL freilich sah das anders und warf den Bayern »unmoralisches Verhalten« vor.
Der Bayern-Manager tobte und erklärte die DFL gar als für sich »nicht existent«, musste aber letztlich in eine Art »Vergleich« einwilligen: Der FC Bayern zahlte 3 Mio. Euro aus dem Kirch-Vertrag zurück, davon 2,5 Mio. an die Liga und 0,5 Mio. für humanitäre Zwecke im Irak. Der erlittene Imageschaden ließ sich dadurch freilich nicht beheben. Es blieb, wie man in Schwaben sagt, ein »G’schmäckle« zurück, zumal Hoeneß noch nachtrat, es habe sich in diesem Fall wieder mal um den typischen Neid der anderen auf die Bayern gehandelt, »dass nicht sie, sondern wir die Nummer eins sind – und diese Gelegenheit bekommen haben«. Die Gelegenheit nämlich, als Branchenführer Sonderkonditionen durchsetzen zu können. Aber immerhin, so viel zum Altruismus der Bayern: Mit ihrem Verhalten hatten sie der Liga ganz nebenbei den bis dahin lukrativsten TV-Vertrag gesichert.
Uli Hoeneß und die Moral – das war immer ein spezielles Thema. Niemand, meinte er, könne »den FC Bayern an der Moral packen«. Denn alles, was dem FC Bayern frommte, konnte in seinen Augen letztlich nicht unmoralisch sein. Wenn die Bayern zum Beispiel versuchten – wie im Fall Sebastian Deisler –,
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