Das Prinzip Uli Hoeneß
Vielleicht wäre ja Olympia das Betätigungsfeld gewesen, auf dem ein Uli Hoeneß alle seine Talente am besten zur Entfaltung hätte bringen können. »Mit Olympia kann man sozialpolitische Probleme anpacken«, hatte er 1993 geäußert, »nicht mit der Fußball-WM.« Und: »Die einzige Vision, die ich noch habe, ist, Organisator Olympischer Spiele in Deutschland zu sein.« Er hat sie wohl wieder vergessen, diese Vision. Weil er zu beschäftigt war bei seinen Bayern, mit sportlichen, wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen aller Art.
Die Frage nach den Werten
Kernpunkt jeder Ethik sind aufrichtige Überzeugungen und eine Vorstellung von Wahrheit im weitesten Sinne. Beides beinhaltet der Begriff des »Wertes«. Mit den Werten steht es Hoeneß zufolge heutzutage schlecht. Es herrsche eine Tendenz, nur noch die oberflächlichen, falschen Dinge ernst nehmen; die wesentlichen und richtigen, die Werte eben, spielten eine immer geringere Rolle. Insbesondere nach der Daum-Affäre, während der er von den Medien beinahe vernichtet worden wäre, klagte Hoeneß über einen allgemeinen Werteverlust. Eine ausgewogene Berichterstattung finde kaum mehr statt, es stehe fast ausschließlich das Verkaufen von Sensationen im Vordergrund, eine Überprüfung des Wahrheitsgehaltes werde nicht mehr als wichtig erachtet: »Es kommt nicht mehr auf den Inhalt an, ob richtig oder falsch. Es kommt nur auf die Verpackung an.« Der Bayern-Manager stilisierte sich zum »Korrektor« einer misslichen Entwicklung, der er nun entgegensteuern werde. »Ich will versuchen, die Dinge in Bahnen zu lenken, wo sie wieder steuerbar sind«, wollte er seine Autorität ins Spiel bringen. Man bräuchte eine »Ethik-Kommission« und für diese einen eigenen Fernsehsender, schlug er vor: »Da könnte man die Falschmelder vorführen.« Er sagte das, obwohl ihm natürlich klar war, dass er für solche Aussagen belächelt werden würde. »Wenn Sie das schreiben, sagen alle, jetzt spinnt er«, meinte er in einem Interview mit der »SZ«. »Aber im Prinzip ist es so.«
Nicht nur die Verfälschung, auch die zunehmende Seichtigkeit im Mediensektor erregte Hoeneß’schen Widerspruch. Besonders ereiferte er sich über die »Big Brother«-Serie des Senders RTL 2. In dieser Sendung würden die Menschen manipuliert und die Zuschauer regelrecht verarscht. »Wenn ich höre, dass etwa bei ›Big Brother‹ alle Geschichten von außen gesteuert sind – das ist Wahnsinn. Millionen von Menschen glauben, dass hier wirklich eine Story abläuft, wie sie täglich passieren kann, dabei wird sie genau nach der Einschaltquote geschrieben. Das ist für mich das abschreckendste Beispiel für unsere Gesellschaft, macht mich krank. Ich habe den Spielern das gesagt und sie gebeten, diese Sendung nicht mehr anzuschauen.« Formate wie »Deutschland sucht den Superstar« brachten ihn vollends in Rage: »Diese Oberflächlichkeit, diese Verona-Feldbusch-Kultur muss aufhören. Man muss wieder ein Buch lesen, man muss wieder mit seinen Freunden in die Kneipe gehen und diskutieren.«
Als Ende 2001 eine Liebesaffäre des Bayern-Trainers Ottmar Hitzfeld in den Medien breitgetreten wurde, sah sich Hoeneß erneut in der Pflicht: »Ich finde es brutal abscheulich, in was für einer Gesellschaft des Voyeurismus wir leben«, wetterte er und stellte die herrschende Doppelmoral an den Pranger. »Genau die Leute, die den Trainer nun kritisieren, zahlen der Frau Geld, damit sie sich auszieht und in den Zeitungen produziert. Gleichzeitig wird gesagt, das muss doch den Hitzfeld belasten.« Zwei Jahre später empörte er sich über eine grundsätzliche Verkehrung der Wertigkeiten, als er von der »Tagesschau« zu einer Stellungnahme über den neuen Assistenten des Bundestrainers Jürgen Klinsmann befragt wurde. Es sei vollkommen »pervers«, empörte er sich, dass diese Frage überhaupt zu einem Thema in der Tagesschau gemacht werde, denn schließlich gebe es weitaus Wichtigeres.
Alle beschäftigen sich mit Nichtigkeiten, aber wenn es darauf ankommt, dann sehen sie weg – so könnte man Hoeneß’ Klage zusammenfassen. Durch und durch schockiert war der Bayern-Manager, als er von den Hintergründen des Todes von Dominik Brunner hörte, der in der Münchner U-Bahn bedrängten Kindern zu Hilfe geeilt und dann selbst ein Opfer der brutalen Schläger geworden war. Am 19. September 2009, kurz vor dem Anpfiff des Heimspiels gegen den 1. FC Nürnberg, hielt der designierte Bayern-Präsident vor 69.000
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