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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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Land«. Als Uli Hoeneß im Mai 2009 beim Finanzkrisen-Talk von Maybrit Illner auf Oskar Lafontaine traf, dürfte er allerdings selbst überrascht gewesen sein, dass er seinem Kontrahenten in manchen Punkten – etwa in Sachen Zinssenkung – durchaus zustimmen musste. Solche Diskussionsbereitschaft zeigte er bei den »Rechten« nicht. Deren Ansichten widersprechen zu radikal seiner Grundüberzeugung von Toleranz und Mitgefühl. Den Rechtsradikalismus erlebe er als ein Drama, sagte er einmal. »Ich bin aus Überzeugung ein weltoffener Mensch. In meiner Wurstfabrik in Nürnberg beschäftige ich zu 40 Prozent Ausländer, Bürger aus verschiedenen Nationen. Ich halte nichts von großen Reden. Toleranz für jeden, der links oder rechts von mir steht, ist das Wichtigste auf der Welt.« Aber natürlich nicht für den, so wäre hinzuzufügen, der ganz weit rechts steht.
    Der gläubige Katholik und bekennende CSU-Wähler Hoeneß, ein Freund des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß und ein Bewunderer des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger, beschrieb sich selbst als weltoffen und »total liberal«, gar als »liberalsten Menschen, den ich kenne«. Tatsächlich legte er trotz seines Konservatismus in zahlreichen Statements eine erstaunliche Flexibilität an den Tag. Gegenüber der »taz« stellte er einmal fest: »Unseren SPD-Bürgermeister hier würde ich sogar wählen, und zehn Grüne im Bundestag sind mir lieber als zehn Republikaner.« Es sei inzwischen zu einer gewissen Annäherung der Standpunkte gekommen. »Elemente der Grünen gab es vor 20 Jahren nicht bei der CDU und der SPD. Heute kann keine Partei ohne Umweltbewusstsein regieren.« Als der grüne Außenminister Joschka Fischer wegen seiner Straßenkämpfer-Biografie ins Schussfeld der Medien und der Opposition geriet, hatte er in Hoeneß einen prominenten Fürsprecher: »Er ist der beste Außenminister, den wir je hatten. Auch im Vergleich zu Hans-Dietrich Genscher. Der war ein guter Mann, aber ich bin überzeugt, dass Fischer für die heutige Zeit der Richtige ist. Das ist zum Beispiel ein Mann, den ich hundertprozentig wählen kann.« Besonders gefiel ihm auch Fischers Haltung zum Irak-Krieg, als der den Amerikanern vorhielt, sie könnten keine Beweise dafür vorlegen, warum er geführt werden musste. Weit weniger überzeugt war Hoeneß von Gerhard Schröder, dem er vorhielt, dass es ihm allein um seine Macht gehe. Er selbst freilich, sagte Hoeneß einmal auf Nachfrage, wolle niemals in die Politik gehen. »Ich bin ein Mann, der am Verhandlungstisch sagt: Ja oder Nein. Von Politikern höre ich dagegen immer wieder: Das muss ich prüfen, da muss ich erst die Basis fragen, das kann ich jetzt noch nicht entscheiden.« Außerdem, fügte er hinzu, habe man in der Politik »die ganze Zeit nur Intrigen auf die Seite zu heben«. Ein paar Sätze dazu, was er tun würde, wenn er denn etwas zu sagen hätte, ließ er sich denn doch entlocken: »Erstens: Steuerreform, Vereinfachung, alle Subventionen weg. Zweitens: Die Leute müssen mehr arbeiten. Drittens: Es müssen Anreize geschaffen werden, damit die Leute mehr Kinder kriegen.«
    Hoeneß blieb glücklicherweise beim Fußball, um dort seine sozialpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Aber hatte er sich da nicht letzten Endes das falsche Spielfeld ausgesucht? Auf die im Vorfeld der WM 2006 geäußerte Vorhaltung der »Zeit«, dass die Prioritäten falsch gesetzt seien, wenn für dieses Ereignis insgesamt Milliarden ausgegeben werden, während in Deutschland gleichzeitig Geld für Kindergärten, Schulen, Universitäten und Rentner fehlt, meinte Hoeneß: »Sie mögen Recht haben. Aber die Lösung muss doch sein, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.« Deutschland ist groß genug, sollte das wohl heißen, um alle seine Probleme zu lösen und dabei noch genügend Spielräume für Luxus zu behalten. Und Hoeneß’ Seele blieb groß genug, um alle Widersprüche zwischen Leistungsideologie und Sozialromantik, zwischen Geldscheffelei und Wohltäterimpuls, zwischen Konservatismus und liberaler Toleranz in sich zu vereinen.
    Im Prinzip war solche Widersprüchlichkeit schon immer in Hoeneß’ Charakter angelegt. Mit »seiner ausgeprägten Neigung zum Geldwert« und der gleichzeitigen »olympischen Passion«, hatte Hoeneß’ Mentor Udo Lattek bereits in den siebziger Jahren geäußert, habe er all jene durcheinandergebracht, »die zwischen Materialisten und Idealisten unterscheiden«.

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