Das Prinzip Uli Hoeneß
Bundesliga« feiern lassen durfte, ihre Position als unangefochtener Branchenführer. Aber auch international können sich die Bilanzen des Vereins trotz der relativ bescheidenen zwei Titel sehen lassen: Im Europapokal der Landesmeister errangen sie zwar vor der Einführung der Champions League in der Saison 1992/93 keinen Titel, wurden aber immerhin zwei Mal Zweiter, kamen drei Mal bis ins Halbfinale und weitere zwei Mal bis ins Viertelfinale. In der Champions-League-Bilanz bis 2008/09 nehmen sie Rang fünf ein – hinter Manchester United, Real Madrid, Barcelona und dem AC Mailand, aber vor Topvereinen wie Juventus Turin und dem FC Liverpool. Zu Buche stehen neben dem Titel von 2001 ein zweiter Rang, zwei Halbfinal- und fünf Viertelfinal-Teilnahmen. Dazu kommen weitere Halb- und Viertelfinals im Cup der Pokalsieger sowie im UEFA-Cup. Richtig schwach waren die Bayern selten, nur viermal gab es ein Vorrunden-Aus (dreimal im UEFA-Pokal, einmal in der Champions League), lediglich zweimal konnten sie sich für überhaupt keinen internationalen Wettbewerb qualifizieren.
»Ich bin vielleicht einer der ganz wenigen, die seine großartige Leistung wirklich beurteilen können«, sagte einmal Gerd Niebaum, ehemaliger Präsident des zwischenzeitlich größten Bayern-Konkurrenten Borussia Dortmund. Er wisse zu genau, wie schwer es sei, mit den Jahren immer wieder »neues Feuer zu entfachen«. Aber Niebaum hatte wohl ein anderes Temperament als sein Konkurrent aus München, von dem man kaum einmal den Eindruck gewinnen konnte, dass das Feuer nachgelassen hätte. Uli Hoeneß, der »getriebene Antreiber« der Bayern, zeigte sich stets als ein vom Ehrgeiz gepeitschter Mann, der nie genug kriegen konnte. Genau das, meinte der in einer verwandten Geistes- und Gefühlswelt sich bewegende Bayern-Torhüter Oliver Kahn, »ist das Faszinierende an Uli Hoeneß: Auch nach dem 17., 18. oder 19. Meistertitel ist er nicht satt. Bei ihm lässt die Spannung nie nach. Deswegen ist er sehr emotional, schnell euphorisch und begeisterungsfähig.« Ähnlich äußerte sich Hoeneß’ Bruder Dieter, allerdings ein wenig mit dem Ton der Verwunderung. Uli zeige stets »großes Engagement – obwohl er es eigentlich nicht mehr nötig hätte«. Vielleicht hat der seelenverwandte Kahn seinen Manager besser verstanden als der Dieter seinen Bruder, obwohl der eigentlich schon seit Kindheitstagen, als man sich beim Tipp-Kick-Spiel endlos stritt, Ulis Unfähigkeit im Ertragen von Niederlagen ausgiebig hatte kennen lernen können.
»Das Thema Verlieren gibt es bei uns nicht«, pflegte Uli Hoeneß seinen Spielern pausenlos einzuhämmern. »Es findet sicherlich statt, aber es kommt eben in unseren Köpfen nicht vor.« Bayern München hat den Erfolg wohl nicht zuletzt deswegen wiederholbar gemacht, weil alle zu Erfolgsgläubigen gemacht wurden – injiziert vom Erfolgssüchtigen Uli Hoeneß, dem Hüter des Impfstoffes »Siegermentalität«. Der Mann mit der Niederlagen-Allergie äußerte schon in den frühen achtziger Jahren, dass er nur eine Angst kenne – nämlich die, »zufrieden zu sein«. Als folge er einem inneren Zwang, wurde ihm jeder Sieg zum Ansporn, noch mehr Siege einzufahren. »Wer glaubt, etwas zu sein, hört auf, etwas zu werden«, verriet er einmal dem »Kicker«. Und das »Werden« auf Dauer zu stellen – das bedeutete für ihn nichts anderes, als auf der Erfolgsleiter immer weiter und noch weiter nach oben zu steigen.
Als Kernprinzip des Uli Hoeneß zeigt sich demnach ein geradezu zwanghaftes Streben nach Erfolg. In gewisser Weise könnte man den Manager des FC Bayern gar als Erfolgswahnsinnigen bezeichnen. Während seiner Karriere gewann er jeden zweiten aller erreichbaren deutschen Meistertitel, und selbst das war ihm noch nicht genug. Gut, den Stolz auf seine beispiellose Titelsammlung und seine sonstigen Erfolge als Manager, den Stolz, in Deutschland die »Nummer eins« zu sein, den kannte er. Gern betonte er, dass für ihn seine Erfolge als Manager »schwerer« wiegen würden als die Titel, die er als Spieler errang: »Als Spieler bist du einer unter 20. Aber wenn du die Verantwortung trägst, weißt du, wie viel Arbeit hinter dem Gesamtwerk steckt.« Trotz aller Arbeit aber vermochte der Machtmensch auch in der Bundesliga den Erfolg nie völlig zu kontrollieren. Und eben genau das war wohl immer eine seiner hauptsächlichen Antriebsfedern: Dass er die alljährlich so vorhersehbar wie der Wechsel der Jahreszeiten auftretenden
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