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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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Bayern-Krisen nie zum Verschwinden bringen und damit den Erfolg nie wirklich planbar machen konnte. Noch viel schlimmer war das permanente Scheitern im Bemühen, die Bayern als Nummer eins des Kontinents zu etablieren. Denn sie sollten seinem innigsten Wunsch zufolge nicht nur einmal und dann vielleicht eher zufällig die Champions League gewinnen, sondern ein dauerhafter Sieganwärter sein, sodass am Ende die Hoeneß-Bayern für eine ähnliche Ära stünden wie einst Real Madrid, der Seriensieger der fünfziger Jahre.
    Der Mann auf der Bank
    Eigentlich wollte Uli Hoeneß nie etwas anderes sein als ein Fußballprofi. Zum Zeitpunkt, da er seine Karriere beenden musste, war er erst 27 Jahre alt und im besten Fußballeralter. »Ich sage Ihnen«, meinte er 1980 zu dem »Zeit«-Journalisten Horst Vetten, »das Gefühl, vor sechzigtausend Menschen zu spielen, ist mit nichts zu vergleichen.« Und weil ihm der einfache Satz trotz angehobener Stimme noch nicht überzeugend genug klang, legte er nach rhetorischer Pause nach: »Mit nichts!« Nur allzu gerne hätte er weitergespielt, wenn er denn eine reelle Chance gesehen hätte. »Aus heutiger Sicht«, trauerte er noch Jahrzehnte später seinem damaligen Unglück hinterher, »war die Innenmeniskusverletzung ja auch eine ganz harmlose Sache. Mit so etwas kann man heute normalerweise nach 14 Tagen wieder spielen. Hier hat die Medizin unglaubliche Fortschritte gemacht.« An seinem 50. Geburtstag meinte er: Wenn ihm heute ein Arzt sein Knie würde reparieren können, »würde ich nachmittags anfangen zu trainieren, und um Mitternacht würde ich zum Ottmar Hitzfeld gehen und sagen: ›Trainer, für zehn Minuten morgen reicht es schon.‹«
    Im Dezember 1979, in seinem ersten Jahr als Manager, ließ sich Hoeneß noch auf die letzte DFB-Transferliste setzen, um als Reserve-stürmer spielberechtigt zu sein – angeblich allein deswegen, weil man es nicht geschafft hatte, noch einen guten Offensivspieler zu verpflichten. Entscheidender war aber wahrscheinlich der Reiz, noch einmal im Stadion einzulaufen. Aus dem Traum, als »Spieler-Manager« auf den Platz zurückzukehren, wurde letztlich nichts, aber immerhin hatte er im Training noch einmal seine Fähigkeiten beweisen können. Später wurde aus dem mittrainierenden Manager der ehrgeizigste Teilnehmer beim allwöchentlichen Montagskick mit der Belegschaft des FC Bayern, zu dem sich gelegentlich auch genesende Profis hinzugesellten. »Auf dem Feld kann er ein Tyrann sein, ihn treibt immer noch das Selbstverständnis des Weltmeisters«, kommentierte die »SZ« einmal das Geschehen auf dem Platz zu Füßen von Hoeneß’ Büro. Der Manager achtete darauf, mit Rummenigge zusammen zu spielen, denn das habe den Vorteil, »dass er den besten Mann in seinem Team weiß. Locker kicken? Es geht ums Gewinnen.« Ein wirklicher Ersatz für den so abrupt erzwungenen Verzicht auf das von Tausenden angefeuerte Wettkampf-Fieber war das aber freilich lange nicht. So blieb dem Mann, der freimütig eingesteht, »süchtig, abhängig vom Fußball« zu sein, für die Teilhabe am Rauschgefühl in einem voll besetzten Stadion nur jener Ort, den er als Spieler nur selten und dann mit Wut im Bauch hatte aufsuchen müssen: die Ersatzbank.
    Als »Mann auf der Bank« ist Uli Hoeneß zu einer Ikone des FC Bayern geworden und zu einem Symbol für die Faszinationskraft, die das Spiel der Spiele gestern wie heute entwickelt. Neben jedem Trainer – von Pal Csernai bis Jürgen Klinsmann – saß Hoeneß, bei jedem Spiel, und zelebrierte seine außergewöhnliche Besessenheit: frenetisch jubelnd und den Banknachbarn mit kindlicher Unbefangenheit freudestrahlend umhalsend; wutentbrannt aufspringend und mit hochrotem Gesicht, dabei deftig formulierte Proteste ablassend; oder zutiefst betrübt mit hängendem Kopf und einer Träne im Augenwinkel sich der Verzweiflung hingebend. Und wer genau hinsah, konnte noch hernach, beim Abgang, an Gang und Miene den Verlauf des Spiels ablesen: federnd, leichtfüßig, ein entrücktes Grinsen vor sich hertragend; stierhaft wütend aufstampfend mit starrem Mörderblick im zur Hassmaske gefrorenen Gesicht; unsicher hastend auf der Flucht vor bohrenden Journalistenfragen, den Blick zum Boden oder ins Nirgendwo gewandt im Versuch, das verzweifelte Entsetzen zu verbergen. Schließlich der Hoeneß vor den Mikrofonen: Da redete er sich in der Euphorie um Kopf und Kragen, verschönte er eine schwache Leistung zu einem souveränen Spiel, schoss

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