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Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
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er im Frust die giftigsten Giftpfeile ab, und ab und an, wenn er völlig enttäuscht war, versteinerte er im Trotz und ließ die Reporterschar einfach stehen, ohne ihr auch nur ein Wort zu schenken.
    Nur einmal musste Uli Hoeneß die Bank verlassen. Im September 2006, beim Spiel in Mailand gegen Inter, flippte er nach einem Ellbogencheck von Fabio Grosso gegen Willy Sagnol aus – auf Englisch. Der vierte Offizielle, Robert Styles, war Engländer. Hoeneß scherzte: »Er hat mir gesagt, er wusste gar nicht, dass ich so viele englische Flüche kenne.« Hoeneß wurde auf die Tribüne verbannt und kommentierte: »Mein erster Platzverweis.« Felix Magath, der damalige Trainer, war irritiert. Irgendwie fehlte plötzlich etwas. »Er hat bei jedem Trainer nebendran gesessen«, meinte er und fuhr in einer eigentümlich philosophischen Anwandlung fort: »Das ist wie das Wetter: Wenn’s regnet, wird es nass, wenn die Sonne scheint, ist es warm. So sitzt halt Uli Hoeneß da auf der Bank.« Für einen Moment war das Bayern-Wetter ausgefallen, und vielleicht hatte Magath mit seinem Eindruck tatsächlich genau das Richtige getroffen. Ein Bayern-Spiel ohne Hoeneß auf der Bank ist irgendwie kein richtiges Bayern-Spiel, es ist wie ein Frühling ohne sprossende Pflanzen, ein Sommer ohne Sonne, ein Herbst ohne Sturmregen, ein Winter ohne Schnee.
    An Hoeneß’ Kleidung hätte Magath das Wetter nicht zwingend ablesen können. Zwar hüllte er sich im Winter schon mal in Bayern-Zipfelmütze, Bayern-Fanschal und Bayern-Wärmedecke, bei moderaten Temperaturen erschien er jedoch immer gleich gewandet: Mit der roten Uli-Hoeneß-Stadionjacke. Wenn er sie nicht anzog, weil es zu heiß war, klemmte er sie sich unter den Arm und legte sie vor sich hin. »Das ist ein Ritus, ein Aberglaube«, begründete er seine Marotte. »Egal bei welchem Wetter – die Jacke ist immer dabei.« Und er pflegte noch ein zweites Ritual vor dem Start der Uli-Hoeneß-Bayern-Wettershow: Sobald er Platz genommen hatte, nahm er ein Putztuch aus dem Etui, säuberte sorgfältigst seine Brille und legte das Etui unter die Bank. Manchmal faltete er danach die Hände, und dann konnte man den Eindruck haben, er würde für den Sieg beten – was nahe läge im Rahmen dieses wie eine magische Beschwörungsformel zelebrierten Rituals. »Ich bin zwar überzeugter Katholik. Für einen Sieg auf dem Fußballplatz würde ich aber nie beten«, äußerte er jedoch zu dem Thema. Vielleicht war das Beten schlicht überflüssig – denn schließlich war er selbst, am ganzen Körper bebend, fiebernd und schwitzend, gleichsam ein Fleisch gewordenes Medium des fc-bayerischen Siegeskults.
    Als Hoeneß – noch ohne Jacke und Brillen-Ritual – seine Bank-Karriere neben Pal Csernai begann, betonte er, dass es ihm keineswegs darum gehe, den Ober-Trainer zu spielen, sondern vielmehr darum, dem Geschehen nahe zu sein. »Von der Tribüne aus sieht man mehr, aber auf der Bank bekomme ich die Gefühle von Trainer und Spielern viel besser mit, man spürt die Seele des Spiels. Ich will ganz nahe bei der Mannschaft sein, nur so lebe ich dann auch voll mit.« Ob Hoeneß’ Hang zur Bank allein rational motiviert war, darf freilich bezweifelt werden. Wie einem Ex-Raucher, der sich unter Raucher mischt, um den gewohnten Duft zu inhalieren, ging es ihm wohl vor allem um die Teilhabe an der Droge Fußball. Und die wirkt eben dort am stärksten, wo die Betriebstemperatur des Emotionsfeuers am höchsten ist: direkt neben der Seitenlinie, auf der Trainerbank.
    Bitter nur, dass die hochkochenden Gefühle dort nicht, wie früher auf dem Platz, in Handlungen umgesetzt werden können. Das Gefühl der Machtlosigkeit, der Ohnmacht, gestand Hoeneß, »hat mir am Anfang schwer zu schaffen gemacht«. Seine Frau Susanne bilanzierte nach einem Jahr Managertätigkeit, dass ihr Mann zwar nicht mehr körperlich angeschlagen, dafür aber manchmal »nervlich völlig kaputt« nach Hause komme. Hoeneß’ so zuschauerfreundlich präsentierte Besessenheit hatte ihren Preis. Der Stress, dem er sich aussetzte, hatte nicht nur mit den aktuellen Spielverläufen zu tun, sondern auch mit dem ungeheuren Anspruch, den zu erfüllen er angetreten war – und der ihn manchmal, wenn er völlig unerreichbar zu werden drohte, fast erdrückt hätte.
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