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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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beschwichtigenden Geste aus. Er hatte gewusst, dass es nicht leicht sein würde, mit Marcus zu sprechen. Die Gewehrmündung machte es nicht leichter.
    »Dafür gibt es keine Veranlassung«, sagte Chris ruhig.
    »Ich denke doch«, knurrte Marcus. Er hörte sich an wie Alex. Und er sah auch aus wie Alex, nur viel größer. Das gleiche schmale Gesicht mit den dunklen Augenbrauen. Sogar der Dreitagebart erinnerte Chris an Alex – an den Wochenenden hatte er ihn manchmal gehabt. Aber natürlich sah Marcus älter aus, mehr als zehn Jahre älter, und offenbar ging ihm Alex’ Sinn für Humor ab, zumindest mit der Waffe in der Hand.
    »Bitte, Marcus«, sagte die Frau.
    »Halt dich raus, Angie. Ich traue dem Burschen nicht.«
    »Nimm das Gewehr herunter«, sagte sie.
    »Ich denke gar nicht daran. Also, wie heißen Sie?«
    »Chris. Chris Szczypiorski.«
    »Dachte ich mir’s doch! Hab ich nicht gesagt, dass ich nicht mit Ihnen reden will?«
    »Ja, haben Sie. Aber ich möchte mit Ihnen reden. Und deshalb bin ich jetzt hier.«
    »Gut, dann drehen Sie sich um und gehen Sie dort hinaus, wo Sie reingekommen sind.«
    Chris holte tief Atem. »Bitte, Marcus. Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, um Sie zu sehen. Geben Sie mir zehn Minuten.«
    Marcus dachte nach. Ein steile Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, so dass sie fast zusammenstießen. »Da Sie schon mal hier sind«, sagte er, »reden Sie!«
    Chris setzte sich wieder auf seinen Stuhl, und Marcus nahm ihm gegenüber Platz. Angie beobachtete sie aufmerksam vom Fußboden aus. Die Flinte blieb auf Marcus’ Knien, der Lauf auf Chris gerichtet.
    »Erzählen Sie mir, was auf dem Boot geschehen ist.«
    »Okay.« Chris konnte den Blick nicht von der Waffe abwenden und nur sehr schwer Ordnung in seine Gedanken bringen. Nachdem er so weit gegangen war, hatte es keinen Sinn, Ausflüchte zu machen. Er unterrichtet Marcus über alles, was sich ereignet hatte. Während seiner Erzählung ruhten Marcus’ braune Augen unverwandt auf ihm. Dann war Chris fertig und schwieg.
    »Und das ist alles?«, fragte Marcus.
    »Das ist alles.«
    »Sie haben nichts ausgelassen?«
    Chris schüttelte den Kopf.
    »Wenn nicht mehr passiert ist, warum haben Sie es dann nicht der Polizei erzählt?«
    »Wir wollten Duncan nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Warum nicht? Er hat meinen Bruder umgebracht, oder?«
    »Es war ein Unfall. Er wollte Alex nicht ins Meer stoßen. Er war betrunken und provoziert worden.«
    »Aber Sie haben es vertuscht. Ich dachte, Alex wäre ein Freund von Ihnen.« Marcus Stimme zitterte vor Wut und Verachtung.
    »Das war er auch«, sagte Chris. »Deshalb haben drei von uns, unter ihnen auch Duncan, ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn zu retten. Es war ein Riesenglück, dass sie nicht alle ertrunken sind. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass wir Ian finden würden.«
    »Wie schade«, murmelte Marcus.
    Chris überhörte den Kommentar.
    »Der einzige Haken ist«, sagte Marcus langsam, »dass Ihr Bericht nicht stimmt.«
    Chris zuckte die Achseln. Er hatte Marcus die Wahrheit gesagt. Mehr konnte er nicht tun.
    »Ihr Investmentbanker hört doch nie auf zu lügen!«
    »Ich lüge nicht, Marcus.«
    »Warum sollte ich Ihnen glauben? Die Polizei haben Sie doch auch angelogen, oder?« Ein höhnisches Lächeln spielte um seine Lippen. »Ich weiß von den polizeilichen Nachforschungen. Vor ein paar Monaten habe ich die alten Sachen meiner Mutter durchgesehen und einen Brief von meiner Tante an sie entdeckt. Da hieß es, die Polizei halte Alex’ Tod für einen Mord. Ich habe meine Tante angerufen, und sie sagte, nach seinem Tod habe es eine Reihe von Verdachtsmomenten gegeben, aber man habe nichts Konkretes herausgefunden. Ich fahre von Zeit zu Zeit nach New York, um meine Möbel zu verkaufen, das letzte Mal habe ich einen der Kriminalbeamten ausfindig gemacht, die an dem Fall gearbeitet haben. Er sagte, ihm sei die Sache nicht ganz koscher vorgekommen. Es habe eine Prellung an Alex’ Unterkiefer gegeben, die sehr gut von einem Schlag hätte stammen können. Er glaubte, dass sie alle lögen. Dann habe er von seinem Chef plötzlich die Anweisung bekommen, die Sache zu vergessen. Also hat er sie vergessen. Ich aber nicht.«
    »Haben Sie deshalb Lenka aufgesucht?«
    »Richtig. Zuerst habe ich es bei Eric Astle versucht, aber der wollte sich noch nicht einmal mit mir treffen. Und der Typ, der das Schulungsprogramm geleitet hat, war auch nicht grade eine Hilfe. Sehr bald wurde mir klar,

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