Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
Menschen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, woraus folgt, dass sie für unterschiedliche Rollen mehr oder minder geeignet sind. Bloomfield Weiss hatte erkannt, dass viele seiner erfolgreichen Mitarbeiter Persönlichkeitsmerkmale besaßen, die von Personalabteilungen negativ beurteilt wurden.«
    »Zum Beispiel?«
    »Wenn Sie dort gearbeitet haben, wird es Ihnen sicherlich nicht entgangen sein. Aggression. Der Wunsch, um jeden Preis zu gewinnen. Die Fähigkeit, zu lügen und zu betrügen, andere zu manipulieren. Eine gewisse Rücksichtslosigkeit. Sogar ein Hang zur Gewalttätigkeit.«
    »Gewalttätigkeit?«
    »Viele Wertpapierhändler sind gewalttätige Menschen, meinen Sie nicht?«
    »Einige«, sagte Chris.
    »Zivilisierte Gesellschaften sublimieren gewalttätige Tendenzen auf vielerlei Weise. Am offenkundigsten beim Sport. Ob als Spieler oder Zuschauer. Das Spekulieren auf den Finanzmärkten halte ich nochmal für eine andere Variante. Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten nie was bemerkt von dem Machovokabular, dem Imponiergehabe, dem heißen Wunsch, auf dem Börsenparkett den Platzhirsch zu machen?«
    »Ich denke schon«, gab Chris zu.
    »Okay, genau danach haben wir gesucht.«
    »Und was ging schief?«
    »Tut mir Leid, darüber kann ich nicht sprechen.«
    Dr. Horwath blickte Chris ausdruckslos an. Er konnte ihrem Gesicht nichts entnehmen.
    »Soweit ich weiß, hat einer der für die Tests verantwortlichen psychologischen Fachleute, nämlich Sie, Besorgnis in Hinblick auf einige der getesteten Trainees geäußert. Sie hatten Angst, sie könnten sich als gefährlich erweisen. Ihre Warnungen wurden in den Wind geschlagen und die Kandidaten trotzdem eingestellt. Einer von ihnen, Steve Matzley, wurde später wegen Vergewaltigung verurteilt. Ich frage mich, ob es noch mehr Kandidaten gab, die Ihnen Sorge bereitet haben.«
    »Vielleicht«, sagte Dr. Horwath. »Aber auch wenn es so wäre, könnte ich wohl kaum mit Ihnen darüber sprechen. Und ich weiß auch gar nicht, welcher Natur Ihr Interesse daran ist. Sie arbeiten doch gar nicht mehr für Bloomfield Weiss, oder?«
    »Nein, ich habe die Firma vor drei Jahren verlassen. Aber ich habe erlebt, wie ein Trainee aus meinem Programm ums Leben kam, Alex Lubron. Er fiel von einem Boot und ertrank. Haben Sie davon gehört?«
    »Ja«, sagte Dr. Horwath. »Waren die Umstände nicht verdächtig?«
    Hier war Vorsicht geboten. Chris gegenüber war Dr. Horwath an keine Schweigepflicht gebunden, daher durfte er auf keinen Fall etwas sagen, was später gegen ihn, Duncan oder einen der anderen verwandt werden konnte.
    »Damals hielt ich die Umstände für eindeutig«, sagte er. »Aber heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Eine der anderen Trainees auf dem Boot, Lenka N ě me č ková, wurde vor einigen Wochen in Prag ermordet.« Bei diesen Worten hob Dr. Horwath überrascht die Augenbrauen. »Ich glaube, dass ein Zusammenhang mit den Ereignissen auf dem Boot besteht.«
    »Was für einen Zusammenhang?«
    Chris seufzte. »Das weiß ich nicht.«
    »Also was wollen Sie dann von mir?«
    »Wenn ich Ihnen die Namen der Leute an Bord nenne, würden Sie mir dann sagen, ob einer dabei war, der Ihnen Sorgen gemacht hatte?«
    »Die Antwort, Mr. äh … , ist kurz und bündig: Nein. Und zwar aus den oben genannten Gründen.«
    Chris gab sich nicht so schnell geschlagen. »Wir waren sieben. Ich selbst, Lenka, Alex, Duncan Gemmel, Ian Darwent, Eric Astle und noch eine weitere Frau, deren Name Ihnen nichts sagen würde.« Langsam nannte Chris diese Namen und beobachtete dabei Dr. Horwaths Gesicht sehr aufmerksam. Nichts. Sie zuckte mit keiner Wimper. »Klingelt es bei irgendeinem dieser Namen?«
    »Alle diese Leute haben mir oder meinen Kollegen unter dem Siegel der Verschwiegenheit persönliche Einzelheiten mitgeteilt. Genauso wie Sie selbst. Zwar habe ich Bloomfield Weiss’ Umgang mit diesem Programm missbilligt, trotzdem bin ich an meine Schweigepflicht gebunden.«
    »Hören Sie, Dr. Horwath. Eine Freundin von mir ist bereits ermordet worden. Mich selbst hat man gestern Abend mit einem Messer bedroht.« Chris berührte die Schnittwunde in seinem Gesicht. »Ich bitte Sie. Sagen Sie mir zumindest, ob die Tests bei irgendeinem von uns eine Auffälligkeit ergeben haben.«
    Dr. Horwath schaute lange an die Decke und richtete ihren Blick dann wieder langsam auf Chris. Dabei äußerte sie kein Wort.
    »Sie können es mir nicht sagen?«
    Noch immer nichts.
    Chris beugte sich vor, er wollte

Weitere Kostenlose Bücher