Das Programm
gerissen gewesen zwischen seinem Wunsch, Lenkas Mörder zu fassen, und der Sorge um Megan. Die Sorge um Megan hatte den Sieg davongetragen. Er wollte nicht Schuld sein, dass ihr etwas zustieß.
Auf sein Klopfen öffnete sie die Tür. Er zog sie in seine Arme, und sie schmiegte sich an ihn. Sanft strich er ihr übers Haar.
»Es tut mir Leid«, sagte er.
Sie machte sich los. »Dich trifft keine Schuld. Du bist schließlich nicht der Irre, der hier eingebrochen ist.«
»Ja, aber ich hätte dir erzählen müssen, was in New York war.«
»Mach dir keine Vorwürfe«, sagte Megan. »Nehmen wir uns einfach vor, dass wir uns solche Sachen in Zukunft sagen, ja?«
»In Ordnung. Warst du in der Bibliothek?«
»Ja. Ich hab es hier nicht ausgehalten, und ich dachte, dann würde ich das Messer vielleicht vergessen. Außerdem hab ich viel zu tun.«
»Hat’s funktioniert?«
»Nicht so richtig.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Hör zu«, sagte Megan. »Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir ausgingen? Ich muss raus hier.«
Sie setzten sich in ein Café Rouge. Chris bestellte ein Steak, Megan einen Käsesalat. Nachdem sie die Flasche Rotwein geleert hatten, bestellten sie noch eine zweite.
Megan schien zerstreut. Sie aß ihren Salat nicht auf, und zum ersten Mal, seit er sie kannte, war die Unterhaltung mit ihr zäh und mühsam. Er brachte ein Thema zur Sprache, und Megan ließ es rasch im Sande verlaufen. Chris berichtete ihr von seinem Treffen mit Duncan. Wie erregt er auf die Entdeckung reagiert hatte, dass Ian wahrscheinlich Alex und Lenka umgebracht hatte. Doch nach dem gemeinsamen Entschluss, die Nachforschungen einzustellen, schien Megan das Thema nicht mehr sonderlich zu interessieren.
Chris war nicht überrascht, dass ein Schock, wie Megan ihn erlitten hatte, ungewöhnliche Reaktionen hervorrief, trotzdem war er etwas enttäuscht. Er hatte gedacht, eine verzweifelte Megan trösten zu müssen. Eine distanzierte hatte er nicht erwartet.
Nach einem besonders langen Schweigen fasste sich Chris ein Herz: »Bist du böse auf mich, Megan?«
»Nein«, lautete die schlichte Antwort.
»Ich könnte es verstehen.«
Fast zum ersten Mal an diesem Abend lächelte sie und legte ihre Hand auf die seine. »Das ist es nicht, Chris. Mach dir keine Sorgen. Es ist nur …«
»Du musst über die Geschichte letzte Nacht hinwegkommen?«
Megan warf ihm einen nervösen Blick zu. »Ja, genau. Ich bin einfach ein bisschen durch den Wind.«
»Kann ich mir vorstellen. Du musst dich scheußlich fühlen.«
»Das tu ich. Macht es dir was aus, wenn wir gehen?«
»Natürlich nicht.« Chris wollte bezahlen, aber sie ließ es nicht zu. Chris wollte keinen Konflikt, so teilten sie sich die Rechnung. Schweigend gingen sie zurück zum College. Am Tor angekommen, blieb sie stehen.
»Hör zu, Chris, es tut mir Leid, aber ich wäre heute Nacht gern allein. Macht es dir was aus?«
»Kommt gar nicht in Frage«, sagte Chris. »Nach allem, was gestern Nacht passiert ist, lass ich dich nicht allein.«
Megan berührte seine Hand. »Du hast mich nicht verstanden. Ich muss heute Nacht allein sein.« Chris wollte protestieren, aber sie unterbrach ihn. »Hör zu. Es besteht überhaupt keine Gefahr. Heute Nacht kommt er nicht wieder. Wir haben getan, was er wollte. Wir haben nachgegeben. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, um zu mir zu kommen.«
»Aber Megan …«
»Vertrau mir, Chris. Bitte!«
Enttäuscht sah Chris sie an. Er verstand nichts. Aber Megan meinte es offenbar ernst.
»Okay«, sagte er. »Aber wenn du Angst hast oder mit mir sprechen möchtest, dann ruf bitte an.«
»Mach ich.« Sie küsste ihn auf die Wange. »Danke«, sagte sie und war fort. Chris blieb nichts anderes übrig, als durch das dunkle Cambridge zu seinem Auto zu gehen und nach London zurückzufahren.
Megan fand keinen Schlaf. Zunächst versuchte sie es nicht einmal. Sie zog sich ein T-Shirt an, schob das Sofa vor die Tür, stellte eine Lampe kippelig auf die Lehne, so dass sie herunterfallen musste, wenn das Sofa bewegt wurde, öffnete ihr Schlafzimmerfenster, damit man sie hörte, wenn sie schrie, und legte sich ins Bett.
Sie war sich sicher, dass der Eindringling nicht zurückkommen würde, zumindest nicht in dieser Nacht. Das musste sie sich nur immer wieder sagen, und sie würde ihrer Angst Herr werden.
Doch verschanzt in ihrer kleinen Festung, wollte sie nachdenken.
Der Nachmittag mit Eric war keineswegs so verlaufen, wie sie das vorgehabt hatte. Er war
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