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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Schar Waliser, die die Nacht durchgezecht hatten und verkatert dahintorkelten. Ein Blick auf ihre Gesichter sagte Ian, dass ihre Mannschaft verloren hatte.
    Was tun? Eine Stunde lang erwog er ernsthaft den Gedanken, Eric umzubringen. Einfach als Vergeltung für die Morde an Alex und vor allem an Lenka. Wenn Eric seine alten Freunde so unbedenklich ins Jenseits befördern konnte, was hinderte dann ihn, Ian, daran, es ihm nachzutun?
    Aber er wusste, er würde es nicht schaffen. Nicht dass er Gewissensbisse hatte. Soweit es ihn betraf, verdiente der Bastard es. Aber Ian hatte nicht die Nerven. Einen Mord zu planen und auszuführen, das brachte er einfach nicht fertig.
    Er suchte ein anderes Café im Marais auf – ein frühes Bier, eine Zigarette und ein Mittagsimbiss. Die Wolken begannen aufzureißen und ließen ein paar Flecken blasses Blau durchschimmern.
    Wenn er nicht in der Lage war, Eric umzubringen, wer sollte es dann tun? Er konnte nicht länger den Kopf in den Sand stecken und so tun, als wisse er nicht, was vor sich ging. Chris war entschlossen, und Ian unterschätzte ihn nicht. Gelang es Chris, Eric auf die Schliche zu kommen, dann konnte er, Ian, nicht behaupten, er sei ein unbeteiligter Dritter gewesen. Dann kam er in große Schwierigkeiten und landete, wenn er Pech hatte, sogar im Knast. Und selbst wenn es Eric gelang, die Sache noch einmal unter den Teppich zu kehren, dann würde das eine blutige Angelegenheit werden. Noch mehr Verletzte oder Tote, vielleicht sogar Ian selbst. Ian hatte keine Lust, den Rest seines Lebens im Schatten eines Ereignisses zu verbringen, das er mit angesehen, aber nicht zu verantworten hatte.
    Er würde tun, was er von Anfang an hätte tun sollen. Reden. Sich mit Eric anzulegen, war gefährlich. Aber die Dinge hatten einen Punkt erreicht, wo nichts zu tun genauso gefährlich war.
    Er verließ das Bistro und wandte sich in Richtung der Île St. Louis. Angeschwollen von den Regenfällen der letzten Stunden gurgelte die Seine Richtung Meer und zerrte an den Pfeilern der Brücken, die ihr im Wege standen. Von den zaghaften Sonnenstrahlen verführt, zeigten sich jetzt mehr Menschen auf den Straßen. Plötzlich fühlte Ian sich wohler, wohler als seit Wochen. Möglicherweise wohler als in der ganzen Zeit seit dem Schulungsprogramm. Natürlich war schwer zu entscheiden, an wen er sich wenden sollte. An die Polizei in London? Oder zuerst in Prag? Oder in New York? Vielleicht nahm er sich am besten erst einmal einen Anwalt. Oder er sprach mit einem Journalisten. Doch je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es im Grunde nur einen gab, an den er sich wenden konnte – Chris. Zwar hatten sie sich jedes Mal gestritten, wenn sie sich in letzter Zeit gesehen hatten, aber Chris war ein anständiger Bursche. Er war ehrlich und würde wissen, was zu tun war. Sie konnten sich gegenseitig die moralische Unterstützung zuteil werden lassen, die sie brauchten, um die Sache durchzustehen.
    Je länger Ian durch die Straßen ging, desto einleuchtender erschien ihm seine Entscheidung. Schließlich kehrte er ins Hotel zurück, um den Flug nach London zu buchen, Mittagsschlaf zu halten und seiner Nase ein bisschen Schnee zu gönnen.
    Drei Stunden später, gestärkt durch seine Entscheidung, durch die Mittagsruhe und vor allem durch das weiße Pulver, das er sich verabreicht hatte, verließ er das Hotel, um seinen letzten Abend in Paris standesgemäß zu verbringen. Er besuchte einige Bars auf dem linken Ufer und traf in einem Bistro in der Nähe des Pont St. Michel zwei dänische Mädchen. Er tat so, als sei er Franzose, und fand, dass ihm das sehr gut gelang. Sein Französisch war nicht schlecht, und der französische Akzent, mit dem er englisch sprach, war gut genug, um die Däninnen an der Nase herumzuführen. Alle drei amüsierten sich prächtig, der Abend entwickelte sich vielversprechend, und der Alkohol floss in Strömen. Dann begann ihn eine von ihnen misstrauisch zu mustern. Das störte Ian nicht weiter, weil die andere, die mit den größeren Brüsten, offenbar immer noch einen Narren an ihm gefressen hatte. Sie wurde langsam betrunken und sehr zugänglich. Schließlich zog die Misstrauische ihre Freundin mit auf die Toilette, und sie kamen nicht wieder.
    Als Ian eine halbe Stunde gewartet hatte, zuckte er mit den Achseln, trank noch ein Bier und verließ die Bar – es würde sich schon was Neues finden.
    Er war nicht sonderlich betrunken. Ein paar Minuten lief er

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