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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Wellenkamm getragen wurde, konnte er erkennen, dass nur noch ein Kopf über Wasser war. Eric. Ian rief seinen Namen, woraufhin Eric kehrtmachte und rasch in die entgegengesetzte Richtung davonschwamm.
    Ian suchte nach Alex, konnte ihn aber nicht finden. Ob er untergegangen oder einfach davongetrieben war, vermochte Ian nicht zu entscheiden. Doch nach einigen Minuten begann er sich Sorgen über seine eigene Situation zu machen. Er war müde und sehr ausgekühlt. Wo war das verdammte Boot? Er hörte auf, mit den Armen zu rudern, und verlegte sich aufs Wassertreten, um Energie zu sparen.
    Sein Gehirn war wie betäubt von der Kälte, der Müdigkeit und dem Schock über das, was er gerade gesehen hatte. Was zum Teufel hatte Eric mit Alex getan? Es ergab keinen Sinn. Sein Verstand war nicht wach genug, um sich einen Reim darauf zu machen.
    In der rauen See war es ein schweres Stück Arbeit, das Gesicht über Wasser zu halten. Sobald seine Konzentration nachließ, brach eine Welle über ihm zusammen und schlug ihm die Lunge voll Wasser, woraufhin er fast seine ganze verbliebene Energie brauchte, um es auszuhusten und über Wasser zu bleiben.
    Schließlich hörte er den Motor des Bootes und sah den Rumpf aus der Dunkelheit auf sich zukommen. Vertraute Stimmen riefen seinen Namen, Arme zogen ihn aus dem Wasser und legten ihn aufs Deck, wo er benommen liegen blieb.
    Eric hatte ihm ins Ohr geflüstert: »Kein Wort darüber! Alex wollte ihnen von uns beiden erzählen. Ich hatte keine andere Wahl.«
    Und Ian hatte den Mund gehalten. Er war viel zu erschöpft, um einen klaren Gedanken zu fassen, so stimmte er der Version zu, die sich Eric und Chris ausgedacht hatten. Hinterher war es zu spät. Eric schien alles im Griff zu haben. Wenn Ian versucht hätte, der Polizei zu erzählen, was er wirklich gesehen hatte, hätte er sich selbst in größte Schwierigkeiten gebracht. Er hatte schließlich nichts damit zu tun. Er musste nur den Mund halten und die Sache möglichst schnell vergessen.
    Natürlich konnte er sie nicht vergessen. Obwohl er keine Schuld an Alex’ Tod hatte, fühlte er sich schuldig. Und auf eigenartige Weise verband ihn das enger mit Eric. Sie teilten ein Geheimnis. Wenn sie beide den Mund hielten, konnte ihnen nichts passieren. Und in den zehn Jahren nach Alex’ Tod war auch alles wunderbar in Ordnung gewesen.
    Jetzt wusste Ian, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. In der Rückschau war ihm klar, dass er im Vergleich zu Eric herzlich wenig zu verlieren hatte. Eric hatte Alex und ihm das Zeug besorgt. Alle waren sie nur gelegentliche Wochenendkonsumenten, aber in den Augen von Bloomfield Weiss und der Polizei wäre Eric der Dealer gewesen, Ian und Alex seine Kunden. Irgendwie hatte Eric Wind bekommen von dem Drogentest nach der Abschlussprüfung und war früh gegangen. Ian wurde nicht getestet, weil er aus der Londoner Filiale kam. Aber Alex musste sich der Untersuchung unterziehen und wurde erwischt. Er machte sich Sorgen um seine Stellung und um die Arztrechnungen seiner Mutter, daher war Eric überzeugt, dass Alex ihn ans Messer liefern würde, um die eigene Haut zu retten. Eric hätte nicht nur seine Stellung verloren, sondern es wäre dazu noch in aller Öffentlichkeit geschehen. Wenn er sich später um ein politisches Amt bemüht hätte, wäre es jedem Journalisten, der sich die Mühe gemacht hätte, ein bisschen nachzuforschen, ein Leichtes gewesen herauszufinden, dass er von einer Wallstreet-Firma gefeuert worden war, weil er mit Drogen gehandelt hatte. Das war der Grund, dessen war sich Ian sicher, warum Eric zu so mörderischen Mitteln gegriffen hatte.
    Für Ian ging es um weit weniger. Klar, er hätte seine Stellung verloren, aber irgendwann hätte er eine neue gefunden. Es war nur so einfach gewesen, Eric machen zu lassen, und nachdem der erste Schritt getan war, wurde es immer schwerer, den Entschluss zu revidieren.
    Er war so blöd gewesen, Lenka von Eric zu erzählen. Aber er würde es Eric nie verzeihen, dass er sie umgebracht hatte. In den Wochen vor ihrem Tod hatten sie eine sehr schöne Zeit zusammen gehabt. Bis jetzt hatte er sich so ohnmächtig gefühlt, dass er noch nicht einmal gewagt hatte, gegen ihren Tod zu protestieren. Seine Angst vor Eric war einfach zu groß gewesen. Doch das war jetzt vorbei.
    Wütend verließ er das Bistro und ging zum Fluss hinab. Der Regen hatte endlich aufgehört, und die Straßen waren jetzt am Sonntagmorgen leer, abgesehen von der seltsam anmutenden

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