Das Programm
Ausbildungsprogramm nur von begrenzter Dauer. Es gab sozusagen ein vorprogrammiertes Ende. Aber davon wollte Duncan nichts wissen.«
»Was ist denn so schlimm an einer ernsten Beziehung?«
»Ich hatte mal eine. In Prag. Wir waren verlobt. Er studierte Medizin, und ich liebte ihn. Aber als ich nach der Samtrevolution plötzlich die Gelegenheit hatte, aus unserem langweiligen Land herauszukommen und die Welt zu sehen, wollte er mich nicht gehen lassen.«
»Wie das? Er konnte dich doch nicht fesseln?«
»Er hatte eine sehr klare Vorstellung von unserer Beziehung. Tschechinnen heiraten früher als Westeuropäerinnen oder Amerikanerinnen. Er dachte, wenn wir erst einmal verheiratet wären, würde er sein Medizinstudium abschließen, und ich müsste ihm überall dorthin folgen, wohin ihn sein Beruf führe. Genau wie meine Mutter. Hast du gewusst, dass mein Vater Arzt ist?«
»Nein.«
»Also, ich hatte zwei Möglichkeiten. Ich konnte das neue Leben im Westen kennen lernen oder schon mit fünfundzwanzig das langweilige Dasein einer tschechischen Ehefrau und Mutter führen. Es war eine schwierige Entscheidung. Ich liebte Karel, aber im Grunde genommen gab es nur eine Entscheidung. In die Vereinigten Staaten zu gehen.«
»Und seither?«
»Das Letzte, was ich brauche, ist eine ernsthafte Beziehung.«
»Warum nicht?«, fragte Chris. »Danach suchen doch die meisten Menschen.«
Lenka dachte einen Augenblick nach, bevor sie antwortete. »Vermutlich weiß ich noch nicht, wer ich wirklich bin oder wer ich sein möchte. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie es bei uns in der Tschechoslowakei unter dem Kommunismus war. Amerika ist ganz anders; und das meiste, was anders ist, gefällt mir. Ich merke, dass ich mich verändere, aber ich weiß nicht genau wie. Bestimmt werde ich keine Amerikanerin, selbst wenn ich hier eine Zeitlang lebe. Ich werde immer Tschechin bleiben. Eines Tages gehe ich zurück und tue etwas für mein Land, vielleicht mit den Fertigkeiten, die ich hier gelernt habe.«
»Verstehe.«
»Deshalb kommt für mich eine langfristige Beziehung mit Duncan – oder irgendjemand anders – nicht in Frage. Im übrigen würde Duncan gar nicht wissen, auf was er sich einlässt.« Lenka biss sich auf die Lippen. »Ich weiß, dass ich Duncan verletzt habe, das wollte ich nicht. Aber ich habe damals auch Karel verletzt, und mich selbst noch viel mehr. Das soll auf keinen Fall noch mal passieren.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Chris.
»Wirklich?«, fragte Lenka und sah ihn prüfend an. »Verstehst du das wirklich?«
»Ich denke doch.«
»Und kannst du es auch Duncan klar machen?«
Chris zögerte. »Weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Er ist Vernunftargumenten im Augenblick nicht sehr zugänglich.«
»Das kann man wohl sagen. Ich habe vor ein paar Tagen versucht, mit ihm zu reden, aber das war zwecklos. So kann es nicht weitergehen. Er benimmt sich, als hätte ich was mit einem anderen. Pausenlos ruft er mich an und macht sich vor den anderen Kursteilnehmern zum Narren. Er verfolgt mich. Schickt mir Briefe, die ich ungelesen in den Papierkorb werfe. Und flüstert mir zu, wie leer und sinnlos sein Leben ist. Er muss einfach kapieren, dass es aus ist.«
»Ich werde tun, was ich kann«, sagte Chris.
»Danke«, sagte Lenka. »Ich kann nämlich nicht mehr. Irgendjemand muss es ihm klar machen.«
Chris beschloss, am folgenden Tag mit Duncan über Lenka zu sprechen. Nachdem sie in der Cafeteria im zwölften Stock zu Mittag gegessen hatten, schlug Chris einen kurzen Spaziergang im Battery Park vor. Sie ließen ihre Jacken zurück. Der Park lag nur wenige Häuserblocks entfernt. Wie immer war es heiß und feucht. Müßig schlenderten Touristen zwischen Souvenirverkäufern und Büroangestellten, die Sandwiches aßen. Nur die Möwen waren fleißig und stürzten sich auf jeden Krümel, der zu Boden fiel. Heiß und schwer hing der Smog in der Luft. Draußen im Hafenbecken ragte die Fackel der Freiheitsstatue in den leuchtenden Dunst.
»Ich habe gestern mit Lenka gesprochen«, begann Chris.
»Ach, wirklich?« Duncans Interesse war jäh erwacht.
»Sie sagt, es ist überhaupt nicht daran zu denken, dass ihr noch einmal zusammenkommt. Sie ist nicht bereit, eine längere Beziehung mit irgendjemand einzugehen.«
Der Hoffnungsschimmer in Duncans Augen verschwand so rasch, wie er gekommen war, und machte Bitterkeit Platz. »Ja und?«
Seine Antwort verwirrte Chris. »Na, dann hat es doch keinen Sinn, sie weiter zu
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