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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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vor der Panik.
    Alex arbeitete verbissen, wobei ihm vor allem Lenka half. Die anderen waren überzeugt, dass er es schaffen würde, während sie Duncan mehr oder minder aufgegeben hatten. Chris versuchte es mit allen Mitteln: Ermutigung, Gardinenpredigten, Vorwürfen, Sarkasmus, alles ohne Erfolg. Duncan war auf dem Selbstzerstörungstrip.
    Der Test war eine Gemeinheit. Es ging dort um eine fiktive Kabelfernsehgesellschaft mit dubiosen Konten und der Absicht, Junkbonds zu emittieren, um eine Übernahme in Frankreich zu finanzieren. Chris musste zugeben, dass die Aufgabe schlau war: Um die Struktur und Abwicklung der Transaktion zu erfassen, brauchte man Kenntnisse in Buchhaltung, Kreditwesen, grenzüberschreitenden Unternehmenskäufen und natürlich Kapitalmärkten. Allein die Lektüre des Falls dauerte eine Dreiviertelstunde.
    Chris kaute sich durch, und nach drei Stunden hatte er die Sache weitgehend geklärt. In seinem Kopf rangen Erschöpfung und Adrenalin miteinander. Eine Stunde noch. Er würde es schaffen. Er war am Ende einer Seite angekommen, richtete sich auf und streckte sich. Im Hörsaal herrschte Stille, man hörte nur das Rascheln von Papier und eifriges Gekritzel. Von ihrem Platz in der Mitte des Raums starrte Abby Hollis teilnahmslos auf die Kursteilnehmer.
    Chris wollte sich gerade wieder an die Arbeit machen, als Eric, der neben ihm saß, seine Papiere zusammenraffte und zwischen den Bänken zu Abby Hollis hinabstieg. Er war schon fertig! Abby war offenbar ebenso verblüfft wie Chris und begann halblaut auf ihn einzureden.
    In diesem Augenblick hörte Chris ein Flüstern hinter sich. Er erstarrte.
    »Chris.«
    Es war Duncan, der direkt hinter ihm saß.
    »Chris. Nick bitte, wenn du mich hörst.«
    Chris’ Augen suchten Abby, die den Kopf noch immer Eric zugewandt hatte.
    Chris nickte.
    »Lass mich deinen Test sehen.«
    Chris rührte sich nicht.
    »Schieb ihn an die Seite.«
    Chris machte keine Bewegung.
    »Mach schon, Chris. Ich brauche Hilfe. Bitte!«
    Heiße Wut überkam Chris. Er würde dieses Examen bestehen. Das wusste er. Und er hatte hart dafür gearbeitet. Warum sollte er Duncan abgucken lassen? Denny und Roger waren deswegen rausgeworfen worden. Wenn Duncan jetzt in der Patsche saß, so war das ganz allein seine Schuld.
    »Bitte, Chris. Lass mich die erste Seite sehen.«
    Langsam und betont nahm Chris seinen Kugelschreiber auf und beugte sich über seine Arbeit. Duncan musste sehen, wie er zurechtkam. Er, Chris, würde seinen Test beenden.
    »Du bist ein Scheißkerl, Chris!«
    Dieses Mal flüsterte Duncan zu laut. Abby hörte es, fuhr herum und blickte in Duncans Richtung. Chris hielt die Augen auf seinen Test gerichtet.
    »Wichser!«, zischte Duncan ein paar Sekunden später, als Abby ihre Aufmerksamkeit wieder Eric zugewandt hatte.
     
    George Calhoun stand schon draußen und wartete, als sie völlig erledigt aus dem Hörsaal kamen. Er forderte alle in den USA eingestellten Trainees auf, sich wegen der Krankenversicherung zu einem kurzen Blut- und Urintest zu begeben. Chris, Duncan und Ian waren zu müde, um dem viel Aufmerksamkeit zu schenken. Sie wollten so rasch wie möglich ins Freie.
    »Kommst du mit zu Jerry’s?«, fragte Ian.
    »Und ob«, sagte Chris und wandte sich an Duncan. »Kommst du auch?«
    Duncan war bleich und den Tränen nahe. Ohne Chris zu beachten, ging er zum Fahrstuhl.
    Ian hob die Augenbrauen. »Was hat er denn?«
    Chris seufzte schwer. »Vergiss es! Lass uns ein Bier trinken.«
    Es war noch früh und die Bar fast leer. Aber Eric saß schon dort und hielt einen Tisch frei, auf dem ein großer Krug Bier stand und auf sie wartete.
    »Warum bist du so früh gegangen?«, fragte Chris.
    »Ich war fertig und konnte es da drin nicht mehr aushalten. Also habe ich schon für Bier gesorgt.«
    »Degoutant.«
    »Egal«, sagte Ian. »Kipp mir mal eins ein.« Er lockerte seinen Schlips und stürzte sein Bier in einem Zug hinunter. Eric goss ihm ein neues ein.
    »Na, wie war’s?«, fragte Chris.
    Eric lächelte. »Kein Wort mehr darüber. Es ist zu Ende. Es ist vorbei. Lassen wir uns voll laufen.«
    Und das taten sie.
     
    Das Programm ging überraschend unspektakulär zu Ende. Es folgten noch vier Tage der Ungewissheit, in denen alle Teilnehmer auf die Ergebnisse der Prüfung und die Amerikaner auf ihre Anstellung bei Bloomfield Weiss warteten. Chris wunderte sich, dass Waldern so lange Tests so rasch durchsehen konnte: Ian vermutete, dass er seine Doktoranden dran

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