Das Programm
»Eben denkst du noch, du bleibst dein Leben lang mit ihr zusammen, und im nächsten Augenblick …«
»Das muss hart gewesen sein.«
»Das war es. Das ist es. Oh, mein Gott.« Bestürzt und peinlich berührt sah Chris Tränen über Duncans Gesicht laufen. Chris hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Lenka wusste, was sie wollte, und wenn sie gesagt hatte, dass es aus war, dann war es aus. Duncan musste sich irgendwie damit abfinden. Aber leicht würde es nicht sein, das war Chris klar.
»Wenn du dich dazu imstande fühlst, könnten wir einen Spaziergang im Park machen und ein bisschen darüber reden«, sagte Chris.
»Das wäre schön«, sagte Duncan. »Ich bin in einer Minute fertig.«
Chris betrat das Wohnzimmer. Ian las die Sonntagsausgabe der New York Times.
»Was ist los mit ihm?«, fragte Ian, ohne aufzublicken.
»Lenka hat Schluss gemacht.«
»Ich hab doch gesagt, dass sie eine Nummer zu groß ist für ihn.« Er ließ die Zeitung sinken und stöhnte. »Ich glaube nicht, dass ich das Gejammer ertragen kann. Es wird ziemlich schlimm werden.«
Es wurde ziemlich schlimm. Duncan war untröstlich. Er schlief nicht, trank Ians Whisky bis spät in die Nacht, und wenn er den geleert hatte, ging er eine neue Flasche kaufen. Tag und Nacht rief er Lenka an, bis sie den Hörer nicht mehr abnahm. Im Unterricht benahm er sich unmöglich, trug vor ihren Augen sein Leid zur Schau und weigerte sich, irgendjemandem zu erzählen, was los war. Einige der anderen Trainees machten sich Sorgen und fragten Chris und Ian, was er habe. Chris und Ian hielten es für besser, so zu tun, als wüssten sie auch nichts, was Ian offenkundig leichter fiel als Chris.
Chris bemühte sich sehr, Verständnis für Duncan aufzubringen, aber sogar er verlor die Geduld mit ihm. Das Programm verschärfte sich. Das Abschlussexamen würde einen Vier-Stunden-Test über Kapitalmärkte umfassen, und alle wussten, dass Waldern es ihnen nicht leicht machen würde. Der ganze Kurs paukte wie besessen, nur Duncan nicht. Das machte Chris Sorgen. Duncan stand an einundvierzigster Position, nur fünf Plätze über der gefürchteten Demarkationslinie, und die Kapitalmärkte fielen bei der Gesamtbenotung erheblich ins Gewicht. Während Chris und Ian am Abend über den Büchern hockten, hing Duncan entweder irgendwo in einer Bar herum oder, noch schlimmer, saß in seinem Zimmer und schüttete den Whisky dort in sich hinein.
Die Arbeitsgemeinschaft traf sich zwar noch regelmäßig in Erics und Alex’ Apartment, aber Duncan erschien nicht mehr. Zwar machten sich die anderen Sorgen um ihn, waren aber auch froh, dass sie sein Selbstmitleid nicht mehr ertragen mussten. Lenka kam wie eh und je. Sie wirkte zwar ein bisschen gedämpfter als sonst, doch war sie weit gefasster als Duncan.
Am Donnerstag nach dem Zerwürfnis verließ Chris die Sitzung etwas früher, als Lenka hinter ihm her gelaufen kam. Gemeinsam gingen sie die Columbus Avenue hinunter.
»Wie geht es Duncan?«, fragte sie.
»Schlecht.«
»Oh.« Schweigend legten sie ein paar Schritte zurück. Dann sagte Lenka: »Weißt du, ich mag ihn. Und ich mache mir Sorgen um ihn. Du musst dich um ihn kümmern, bitte!«
»Ich versuch es ja«, sagte Chris. »Aber es ist schwierig.«
»Das Problem ist, wenn ich nett zu ihm bin, dann wecke ich falsche Hoffnungen in ihm. Er muss wissen, dass es vorbei ist. Es muss ein klarer Schlussstrich gezogen werden. Je länger es dauert, desto schlimmer wird es für ihn. Verstehst du?«
»Ich glaube schon.« Chris wollte nicht Partei ergreifen, daher blieb er so unverbindlich wie möglich. Aber er war schon der Meinung, dass Lenka Recht hatte; bei Duncan wäre ein »Vielleicht« wahrscheinlich fatal gewesen.
»Weißt du, ich habe ihm nichts vorgemacht«, sagte Lenka. »Wir haben uns einfach amüsiert. Ich habe die Sache nicht besonders ernst genommen und dachte, darüber seien wir uns einig. Als er mir dann erklärte, er wolle seine Stellung sausen lassen, um mit mir zusammenzuleben, wurde mir klar, dass er unsere Beziehung ganz anders sah. Deshalb habe ich Schluss gemacht. Es wäre Unrecht gewesen, die Sache weiterlaufen zu lassen.«
»Hast du denn nicht gesehen, dass Duncan bis über beide Ohren in dich verknallt war?«
Lenka seufzte. »Nein. So geht mir das ständig mit den Männern. Ich beginne eine Beziehung mit einem netten Mann, wir amüsieren uns, und plötzlich wird er todernst und will mich fürs Leben. Ich dachte, Duncan sei anders; schließlich ist das
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