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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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setzte.
    Nach seiner anfänglichen Wut auf Chris hatte Duncan ihm verziehen. Er wusste, dass er es vermasselt hatte, und er gab zu, dass es seine eigene Schuld war, dass er sich nicht ausreichend vorbereitet hatte. Doch Chris hatte ein schlechtes Gewissen. Nicht dass er fand, dass er Duncan gegenüber verpflichtet war; Duncan hatte keinen Anspruch darauf gehabt, dass Chris für ihn schummelte. Was Chris zu schaffen machte, war, warum er Duncan in der Prüfung nicht geholfen hatte. Die Bloomfield-Weiss-Philosophie – sieh zu, dass du durchkommst, und überlass deine Kollegen ihren eigenen Problemen – war schließlich auch bis zu ihm durchgedrungen. Er hatte nur an die eigene Karriere gedacht. In seinen finstersten Augenblicken glaubte er sogar, den Wunsch verspürt zu haben, dass Duncan durchfiel. Das setzte ihm zu. Bloomfield Weiss veränderte ihn, und nachdem er Dutzende von erfolgreichen Bloomfield-Weiss-Investmentbankern gesehen hatte, war er nicht sicher, ob ihm das gefiel.
    Alex war ungewöhnlich bedrückt. Er lief mit finsterem Gesichtsausdruck herum und sprach kaum mit den anderen. Sie nahmen an, dass er für sein Abschneiden das Schlimmste befürchtete, und ließen ihn in Ruhe.
    Die Ergebnisse der Prüfung über Kapitalmärkte wurden den anderen Resultaten aus dem Lauf des Kurses hinzugerechnet und alles zu einer Gesamtnote zusammengefasst. Die wurde um zehn Uhr am Donnerstagmorgen der letzten Woche auf einer Liste am schwarzen Brett vor dem Hörsaal veröffentlicht. Die Trainees umdrängten Abby Hollis, um einen Blick auf die Liste zu werfen. Eric war auf Platz eins gelandet, Rudy Moss auf Platz zwei und Latasha James auf drei. Lenka war vierte geworden. Chris war mit seinem Ergebnis sehr zufrieden: Er hatte sich mit dem vierzehnten Platz noch ins erste Viertel geschoben. Ian war Zweiunddreißigster, und Alex hatte als Zweiundvierzigster gerade noch das rettende Ufer erreicht. Duncan war als siebenundfünfzigster mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Nur Faisal war noch schlechter, aber den interessierte das nicht.
    Eine Stunde später hing eine zweite Liste aus: die Stellen für die amerikanischen Trainees. Eric hatte den ersehnten Job in der Abteilung für Unternehmenskäufe. Obwohl Alex es theoretisch geschafft hatte, bekam er keinen Job. Das schien ihn schwer zu treffen; die Belastung durch das Programm und die Krankheit seiner Mutter waren offenbar zu viel für ihn. Rudy Moss bekam seinen Posten in der Anlagenverwaltung, doch Latasha landete trotz ihres guten Abschneidens in der Abteilung für Gemeindefinanzen. Die Trainees aus den ausländischen Filialen würden erst zu Hause erfahren, was für Stellen ihnen zugedacht waren oder dass man, wie im Falle von Duncan und Carla, auf ihre weitere Mitarbeit keinen Wert legte.
    Der Rest des Tages ging hin mit Besprechungen, Formulare ausfüllen und weiteren Vorstellungen von unwichtigen Abteilungen. Das Ganze vollzog sich vor einem Hintergrund unablässigen Geplauders und Geschnatters. Die meisten waren froh, es geschafft zu haben. Diejenigen, die durchgefallen waren, reagierten unterschiedlich. Einige nahmen es mit stoischer Ruhe hin, einige versuchten, darüber zu scherzen, andere, wie Duncan, waren wütend, und wieder andere, wie Carla, weinten still vor sich hin. Niemand wusste, wie er die Unglücklichen trösten sollte. Typen wie Rudy Moss nahmen keine Notiz von ihnen. Sie waren Geschichte bei Bloomfield Weiss, Versager, niemand, den man für seinen Aufstieg brauchen konnte. Also warum Zeit mit ihnen verschwenden?
    Das zaghafte Gemeinschaftsgefühl, das sich während der letzten fünf Monate zwischen den sechs jungen Bankern herausgebildet hatte, zerbröckelte zusehends, denn jeder bereitete sich nun auf das neue Leben innerhalb und außerhalb von Bloomfield Weiss vor. Es gab keine Abschiedsparty, nur kurze Gespräche. Die Amerikaner dachten an den neuen Job, die Ausländer an die Heimreise.
    Eric und Alex hatten ursprünglich vorgehabt, für alle Trainees eine Party zu geben. Doch als gegen Kursende schon alle mehr oder minder auseinander liefen, überlegten sie es sich anders. Sie beschlossen, die drei Engländer und Lenka zu einem Ausflug auf dem Boot von Erics Vater einzuladen, das im Norden von Long Island lag. Alle waren begeistert, sogar Duncan. Nach der letzten Kursveranstaltung stiegen sie in den Vorortzug nach Oyster Bay ein und freuten sich auf den Abend, der vor ihnen lag – einen Abend, der ihrer aller Leben verändern

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