Das Programm
die Lippe, nickte aber. »Okay.«
»Ian?«
Ian war noch immer benommen. Er bewegte sich nicht und starrte blicklos in den Himmel.
»Ian? Wenn wir diese Geschichte erzählen wollen, müssen alle mit ihr einverstanden sein.«
Langsam richtete Ian seinen Blick auf Eric. Chris fragte sich plötzlich, wie weit Ians Egoismus ging. War er bereit, die Polizei anzulügen, um Duncan zu helfen? Offenbar war sich Ian noch nicht schlüssig. Schließlich nickte er. »In Ordnung.«
»Wir sind uns also alle einig.«
»Nein, sind wir nicht.«
Es war Megan.
Überrascht wandte sich Eric zu ihr um. »Hast du ein Problem damit?«
»Natürlich hab ich ein Problem damit. Wir müssen die Wahrheit sagen.«
»Aber du denkst doch nicht, dass Duncan Alex absichtlich ins Wasser gestoßen hat?«
»Nein, aber das habe nicht ich zu entscheiden. Das muss die Polizei tun.«
Das Boot näherte sich Oyster Bay. Sie konnten schon die pulsierenden Blaulichter von mindestens zwei Rettungsfahrzeugen sehen, die auf sie warteten.
Sanft redete Eric auf Megan ein, während sie Gas wegnahm. »Ich weiß, dass du Lügen hasst. Ich kann dich auch nicht zum Lügen zwingen. Aber hier geht es um einen Freund von mir. Kannst du es nicht für mich tun?«
Alle Augen waren auf sie gerichtet. Für Chris gab es keinen Zweifel: Es war das Beste, wenn sie behaupteten, Alex sei ohne Fremdeinwirkung über Bord gefallen. Auch ihm gefiel es nicht, die Polizei anzulügen, aber die Wahrheit würde nichts bewirken, außer Duncan dem Räderwerk der amerikanischen Justiz auszuliefern. Mit höchst ungewissem Ausgang. Duncan würde sowieso den Rest seines Lebens an dieser Geschichte zu knabbern haben. Lenka wahrscheinlich auch. Chris hatte durchaus Verständnis für Megans Abneigung, die Polizei anzulügen, hoffte aber, sie würde ihre Meinung ändern. Wie Eric gesagt hatte, Duncan war ihr Freund.
Megan sah Eric an, atmete tief durch und nickte. »Okay. Aber ich werde nichts erfinden. Ich sage einfach, ich hätte nichts gesehen.«
»Das reicht vollkommen«, sagte Eric. »Komm, lass mich das Boot in den Hafen fahren.«
Der erste Schlag hatte Alex wehgetan. Der zweite setzte irgendeinen Mechanismus in seinem Gehirn außer Gefecht, einen Mechanismus des Nervensystems, der für den aufrechten Gang und das Gleichgewichtsgefühl sorgt. Als ihn Duncans Schlag zurücktaumeln ließ, fühlte er, wie die Beine unter ihm nachgaben. Die Reling stieß hart gegen seine Oberschenkel. Er versuchte sich nach vorn zu beugen, aber er schaffte es nicht, vielleicht weil er zu betrunken war oder weil das Boot so wilde Sprünge vollführte. Sein Körper fiel ins Leere, und eine Sekunde später befand er sich unter Wasser.
Das Wasser war so kalt, dass es ihm die Luft aus den Lungen zu pressen schien. Irgendwie behielt er doch einen Rest übrig. Es war dunkel, und das Gewicht seiner Kleidung zog ihn nach unten; er wusste noch nicht einmal, wo oben und unten war. Panisch stieß er mit den Füßen und ruderte mit den Armen. Seine Lunge schmerzte, doch irgendwie gelang es ihm, den Mund geschlossen zu halten und kein Wasser zu schlucken. Plötzlich war sein Gesicht wieder in der Nachtluft, und er tat einen tiefen Atemzug, aber da schlug schon wieder eine Welle über ihm zusammen. Das Seewasser stach in seiner Lunge und brachte ihn zum Husten. Verzweifelt schlug er mit den Armen um sich. Es gelang ihm, den Kopf lange genug über Wasser zu halten, um seine Luftwege wieder frei zu bekommen. Noch einmal nahm er einen tiefen Atemzug, bevor er wieder unter dem Berg einer neuen Welle versank.
Unter Aufbietung all seiner Kraft in Armen und Beinen hielt er sich mühsam über Wasser. Seine Kleidung war schwer und das Wasser kalt. Er schaute sich um und erhaschte einen Blick auf die Brücke des Bootes, das sich rasch entfernte. Er hob einen Arm, um sich bemerkbar zu machen, woraufhin er prompt versank und wieder Wasser schluckte. Erneutes Husten.
Er war in ernsten Schwierigkeiten, das wusste er. Er war kein guter Schwimmer und ziemlich betrunken. Das Boot konnte er nicht mehr sehen.
Alex wollte nicht sterben. Er war noch zu jung. Es gab so vieles, was er noch mit seinem Leben anfangen wollte. Er würde nicht sterben.
Er schwamm in die Richtung, in der er das Boot zuletzt gesehen hatte. Es gelang ihm nicht, gleichmäßige Schwimmzüge zu machen. Er schwamm zu rasch und ermüdete zusehends. Mach langsamer! Schwimm ruhiger! Solange er sich über Wasser hielt, konnten sie ihn finden. Inzwischen hatten sie
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