Das Programm
Abmachung, sich am folgenden Tag über Eureka Telecom zu unterhalten.
Chris telefonierte auch mit Duncan in der Wertpapierabteilung der Honshu Bank, der Londoner Filiale des japanischen Unternehmens, in der er jetzt beschäftigt war. Chris hatte ihn schon aus Prag über Lenkas Tod informiert. Das Gespräch war kurz gewesen; Duncan war zu schockiert, um viel sagen zu können. Jetzt hatte er eine Menge Fragen auf dem Herzen. Chris verabredete sich mit ihm in einem Pub, um sie ihm zu beantworten.
Als nächstes musste er die Investoren des Carpathian-Fonds informieren. Es waren acht an der Zahl mit einer Gesamtsumme von fünfundfünfzig Million Euro. Größtenteils waren sie in den USA ansässig, fast alle Bekannte von Lenka aus ihrer Zeit bei Bloomfield Weiss in New York. Der größte Investor war Amalgamated Veterans Life, und Lenkas Kontaktmann niemand anders als Rudy Moss. Er war der einzige Investor, den Chris wirklich kannte. Die übrigen hatte er flüchtig kennen gelernt, aber ihr Vertrauen gehörte Lenka. Trotzdem, ihm und Lenka war es gelungen, ihnen in den ersten neun Monaten eine Rendite von neunundzwanzig Prozent zu verschaffen. Sie hatten also allen Grund, zufrieden zu sein.
Chris beschloss, ihnen allen eine E-Mail zu schicken, in der er sie vorab unterrichtete, bevor er sie am Nachmittag anrief. Es waren schwierige Telefonate. Alle waren tief bestürzt über die Nachricht. Für die meisten schien Lenka eine persönliche Freundin gewesen zu sein. Zu Chris’ großer Erleichterung deutete keiner an, dass er seine Einlage bei Carpathian überdenken wolle. Nur Rudy konnte er nicht erreichen. Der rief auch nicht zurück. Doch Chris machte sich deswegen keine Sorgen: Anrufe nicht zu beantworten, war eine Macho-Masche bei Leuten wie Rudy, und da sie sich kannten, hatte Chris bei Rudy die geringsten Bedenken.
Ollie schien sich im Laufe des Tages zu fangen. Chris ließ ihn den Markt sondieren, um herauszufinden, ob die neueste russische Krise irgendwelche Risiken für die mitteleuropäischen Länder barg, in denen Carpathian investierte. Früher hatten sich Lenka und Chris darum gekümmert, aber Ollie machte seine Sache gar nicht schlecht. Um 20 Uhr verließ Chris das Büro mit dem Gefühl, Carpathian habe vielleicht doch eine Zukunft.
Als Chris im Williams eintraf, hatte Duncan bereits einen Vorsprung von ein oder zwei Halben. Williams war ein dunkler Pub in einem Gässchen am Bishopsgate. Vor zehn Jahren hatten sie es zu ihrer Stammkneipe erkoren. Es war von Bloomfield Weiss bequem zu Fuß zu erreichen, lag aber andererseits in so sicherer Entfernung, dass man keine Kollegen und Vorgesetzte befürchten musste. Bislang war es vom Sanierungsfieber verschont geblieben, das in dem Viertel grassierte, so dass es über die Jahre ihr Treffpunkt geblieben war.
Chris holte sich einen Halben, ließ Duncans Glas auffüllen und setzte sich zu ihm an einen kleinen Tisch in der Ecke. Der Pub war voller smarter junger Männer zwischen zwanzig und dreißig. Die versoffenen, übergewichtigen Typen mittleren Alters in ihren verbeulten Zweireihern, die vor zehn Jahren das Bild bestimmt hatten, waren weitergezogen. Chris fragte sich manchmal, was sie wohl taten, nachdem sie von seiner Generation verdrängt worden waren. Vielleicht würde er es in zehn Jahren wissen.
»Danke«, sagte Duncan, leerte das alte Glas und schob es zur Seite, um für das neue Platz zu machen. »Cheers«, sagte er etwas kläglich.
»Cheers.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Duncan. »Ich kann es einfach nicht glauben. Wie ist das passiert?«
»Jemand kam von hinten und hat ihr die Kehle durchgeschnitten«, sagte Chris so sachlich, wie er konnte. Er wollte sich nicht noch einmal auf die Einzelheiten dieses Abends einlassen.
»Und du bist dabei gewesen?«
Chris nickte.
»Wer war es?«
»Keine Ahnung. Ich hab nicht viel von ihm gesehen – er hat eine dunkle Jacke und einen Hut getragen.«
»Und die tschechische Polizei? Was hält sie von der Sache?«
»Nun, zuerst dachte man an einem Raubüberfall, einen Fixer, der Geld brauchte. Das scheint in Prag ein Problem von wachsender Bedeutung zu sein. Aber aufgrund der Vorgehensweise ist man inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um einen Profikiller gehandelt hat. Er konnte mit seinem Messer verdammt gut umgehen.«
»Aber wer zum Teufel hätte ein Interesse daran, Lenka umzubringen?«
Chris seufzte. »Keine Ahnung.«
»Sicher eine Art Mafia-Anschlag«, sagte Duncan. »In
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