Das Prometheus Mosaik - Thriller
sie sich von den anderen unterschieden. Die Fortiers waren keine Wissenschaftler, sie forschten und experimentierten nicht, sie arbeiteten nicht in den Labors. Sie waren nur ab und zu verschwunden, ein paar Tage lang, und kehrten dann zurück.
Was sie für die Erben taten, erfuhr Roxane erst, als ihre Eltern sie mit ihrem eigenen Erbe vertraut machten; Roxane sollte in ihre Fußstapfen treten, so wie ihr Vater den Weg seiner Eltern gegangen war. Sie hatte Talent für die Aufgaben bewiesen, die ihre Familie im Dienst der Erben erfüllte, so wie jeder in ihrer Familie dieses Talent besessen hatte. Als sei es ihnen irgendwann einmal eingeimpft worden. Ein Gedanke, der so abwegig nicht war …
Und nun hatte also Dunleigh, diese unscheinbare graue Maus, ihren Vater, dessen Hände weit mehr als ein Leben beendet hatten, nicht nur zu Boden, sondern fast k. o. geschlagen.
Diesen Anschein hatte es jedenfalls, bis Roxane das Gas selbst einatmete und schlagartig Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Ihr Vater bekam kaum noch Luft, sein Gesicht verfärbte sich. Er war dem Tod geweiht und würde seiner Frau nachfolgen.
Roxane war noch nicht zum Sterben bereit. Während sie Kraftreserven mobilisierte, die sie anderen, auch von Natur aus stärkeren Menschen überlegen sein ließen – ihr Vater hatte sie das in einer seiner ersten Lektionen gelehrt -, las sie in Dunleighs Gesicht derart tiefes Entsetzen, dass er ihr einen Augenblick lang beinahe leid tat.
»Das wollte ich nicht«, flüsterte er und sah sie um Verzeihung flehend an. »Ich wusste nicht, dass … Die Dosierung war nicht richtig, oder …«
In jener Situation ergaben seine Worte für Roxane keinen Sinn. Das kam erst später, als sie herausfand, dass Dunleigh den ganzen Komplex mit einem sich rasend schnell ausbreitenden und von ihm selbst entwickelten Betäubungsgas geflutet hatte, das alle außer Gefecht setzen sollte, damit niemand ihn und sein Liebchen und die verfluchten Kinder an einer Flucht hinderte. Doch er schien einen Fehler begangen zu haben – einen Fehler, der ihn zum Massenmörder machte.
Er bedauerte diesen Fehler zutiefst, daran wenigstens zweifelte Roxane nicht. Was nicht hieß, dass sie ihm vergab. Das würde sie niemals tun.
»Nimm das!«, sagte er und reichte ihr ein braunes Fläschchen, nicht größer als ein Finger.
Roxane wollte sich auf ihn stürzen, aber da zehrte die Wirkung des Gases selbst ihre Kraftreserven auf, und sie brach in die Knie. Dass Dunleigh ihr den Inhalt des Fläschchens einflößte, bekam sie kaum noch mit; bewusstlos wurde sie trotzdem.
Allerdings wurde sie auch wieder wach – als eine von lediglich zwei Personen, die Dunleighs Massaker überlebt hatten. Döberin war der andere, weil er sich zu dem Zeitpunkt des Anschlags in dem einzigen Raum aufgehalten hatte, den Dunleigh ausgespart hatte, zweifelsohne auf Cassandras Wunsch hin.
Sie war so weich, so widerlich weich, damals schon, und sie hat sich bis zum Schluss nicht geändert
Somit war Döberin der einzige Mensch, der Roxane geblieben war. Um ihn nicht zu verlieren, hätte sie alles getan. Was ihr nicht gelang – obwohl sie alles versuchte.
Wochenlang fahndete sie nach den Flüchtlingen, nach Cassandra Döberin, Dunleigh und den beiden Bälgern, die sie »retten« zu müssen gemeint hatten. Doch Roxane fand sie nicht – nicht lebend.
Natürlich hatte sie Zweifel an dem plötzlichen Unfalltod der vier. Aber sie beschaffte sich DNS-Proben, und Döberin identifizierte sie eindeutig, nachdem sie ihm die Proben ausgehändigt hatte.
In diesem Augenblick schien es vorbei zu sein. Und Döberin war nicht nur bereit, sondern schon im Begriff, einen Schlussstrich zu ziehen, alles dem Untergang anheim fallen zu lassen – als die längst totgeglaubte Hoffnung doch noch einen Funken schlug. Um diesen am Glimmen zu halten, blieb Döberin hier unten, als letzter Erbe, als einziger wirklich lebendiger Mensch und als Vater eines Sohnes, der noch immer zwischen Leben und Tod schwebte.
Roxane ließ keinen Zweifel daran, dass sie willens war, ihm Gesellschaft zu leisten, solange es nötig war, selbst sein Leben lang. Aber er schickte sie fort, hinauf in die Welt, wo sie ihr eigenes Leben führen sollte. Sie fügte sich seinem Wunsch, wenn auch mit gebrochenem Herzen. In der Welt droben hatte sie dann ein Leben geführt, in dem sie viele andere Leben ausgelöscht hatte. Weil dies alles war, was sie je gelernt hatte und wirklich konnte, sah man von ihrer
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