Das Prometheus Mosaik - Thriller
musikalischen Begabung ab, die ihrer Mutter zuzuschreiben war …
Nun hatte die Zeit also einen Sprung zurück getan, bis hin zu jenem Moment, der alles umgeworfen hatte. Plötzlich bot sich die Chance, alles wieder aufzubauen, fortzusetzen und zu einem glücklichen Ende zu bringen – so glücklich ein Ende nach allem, was passiert war, eben noch sein konnte.
Der Funke, der damals aufgeglommen war, würde endlich zum reinigenden Feuer werden.
Roxane sah die beiden an jenem Grab stehen, das auch ihr Ziel war. Sie beobachtete, wie sie den Blick auf die Inschrift richteten, und wusste, was in ihren Köpfen vorging, welche Frage sie sich stellten.
Sie beantwortete sie ihnen nicht, nicht gleich. Stattdessen sagte sie: »Die Geschichte der Loge setzt sich aus vielen solchen Kapiteln zusammen – und eures wird das letzte sein.«
***
Marcel und Roxane Fortier …
Obgleich es ihn erschreckte, dass sie auf einmal hinter ihnen stand, musste Theo den Blick vom Gedenkstein des Doppelgrabs geradezu losreißen.
Ihre Eltern …?
Endlich drehte er sich um. Und ihr Anblick erschreckte ihn im selben Maße wie ihr Erscheinen, auch wenn mit dem Bild, das sie bot, zu rechnen gewesen war. Mehr noch, erschreckender wäre es gewesen, hätte Roxane Fortier – die Roxane Fortier, die sie kannten, die Tochter dieser Toten -unversehrt ausgesehen. Weil es bedeutet hätte, dass über Nacht wundersam verheilt wäre, was in Wirklichkeit Tage und Wochen dauern würde – wenn es denn überhaupt heilte … diese rote, blasige Maske, zu der das selbstgelegte Feuer Haut und Fleisch ihres Gesichts zerschmolzen hatte.
Die Schmerzen mussten furchtbar sein. Was trieb diese Frau an?
Die Kleider, die sie trug, waren ihr gerade um so viel zu groß, dass es auffiel. Und sie passten auch nicht zu ihr. Theo kannte diese Frau nicht – die Person hingegen, als die er sie kennengelernt hatte, passte in einen schwarzen Mantel und hinter eine Sonnenbrille und nicht in Jeans und Sweatshirt.
Sie standen einander wie Duellanten gegenüber, alle drei; Theo und Sara hielten ihre Lampen auf Roxane gerichtet, während sie mit allem, was sie in Händen hatte, auf Theo und Sara zielte – mit Lampe und Revolver also. Ein Romanheld hätte an dieser Stelle Modell und Kaliber und die Verwandtschaftsverhältnisse des Waffenbauers heruntergebetet. Theos Urteil beschränkte sich auf die Feststellung, dass ihre Waffe sehr groß und sehr beeindruckend war.
Eingeschüchtert fühlte er sich dennoch nicht.
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Sara dicht neben ihm.
»Ich sagte Ihnen doch schon einmal – von Ihnen will ich nichts«, antwortete Fortier.
Das war es …!
Von Sara wollte sie nichts.
»Sie wollen mich«, sagte Theo nüchtern. »Nur mich, nicht wahr?«
Sie nickte. »Du bist mein Geschenk für ihn. Meine … Wiedergutmachung.«
»Was haben Sie denn wiedergutzumachen?«, stellte Sara die nächste Frage.
Fortier hob die Schultern. Ihre Lippen verzogen sich zu etwas, das in einem unversehrten Gesicht ein Lächeln gewesen wäre und keine Grimasse.
»Ich habe Rutger enttäuscht. Das wird nicht noch einmal vorkommen.«
»Wer ist Rutger?«, wollte Theo wissen. Er warf Sara einen möglichst unauffälligen Blick zu und hoffte, dass sie ihn richtig verstand.
»Du wirst ihn kennenlernen, keine Sorge. Du wirst alles erfahren.«
»Auch, warum viele dieser Menschen«, er wies in die Runde, »an meinem Geburtstag gestorben sind?«
»An deinem Geburtstag?« Fortier lachte verächtlich. »Das hat sie dir weisgemacht, ja? Sieht ihr ähnlich … diesem sentimentalen Weib.« Sie sah Theo fest an. »Diese Menschen«, sie wiederholte seine Geste, »mussten deinetwegen sterben.«
Theo wurde der Hals trocken. Natürlich hatte er keine Ahnung, wovon sie sprach. Was sie sagte, traf ihn dennoch. Weil etwas Wahres daran sein konnte – und diese bloße Möglichkeit fand er schlimm genug.
»Was haben Sie mit Paul gemacht?« Sara setzte das Spiel fort. Fortier wandte sich jetzt wieder an sie, drehte den Kopf kaum merklich. Das musste genügen.
»Ich habe ihn nur zurückgebracht, wo er hingehört.«
»Hierher? Er gehört hierher? Was soll das bedeuten?«
Sie sah wieder zu Theo. »Ihr gehört beide hierher. Ihr hättet nie verschwinden dürfen.«
»Und was sollen sie hier?«, fragte Sara.
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Wir haben Zeit«, sagte Theo.
»Nein, die haben wir nicht«, entgegnete Fortier, und Theo wusste, dass er das Falsche gesagt hatte. Seine Absicht war
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