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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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anmaßend.
    Fio hatte sich für ihr Studienfach entschieden, um genau solchen Missbrauch, der aller Welt als utopisch schien, zu verhindern, um das Geschehen mit zu kontrollieren, damit nicht alles versucht wurde, was eben machbar schien.
    Es gab Dinge, die der Mensch nicht in seine Hand nehmen sollte.
    Dafür hatte Fio mit Sorge tragen wollen. Sie verstand nun, in dieser schrecklichen Stunde, warum die Mutter Oberin sie sanft und unmerklich in diese Richtung geleitet hatte.
    Und doch stand sie hier und tat, was sie und kein anderer je hätte tun sollen.
    Jetzt erbrach Fio sich. Nicht auf den Patienten, sondern neben den Tisch. Es gelang ihr gerade noch, den Mundschutz beiseite zu reißen. Schwer atmend richtete sie sich wieder auf und wischte sich mit dem Handrücken die saure Feuchtigkeit vom Mund.
    Döberin reichte ihr ein Papiertuch. Sie nahm es nicht, kam sich jedoch armselig vor dabei, wie ein trotziges Kind, weil ihr nicht mehr als die lächerlichen Mittel eines solchen zur Verfügung standen, um gegen Döberin … aufzubegehren.
    Sie musste lachen. Es schmeckte noch mehr nach bitterer Galle.
    Tatsächlich ekelte sie sich nicht nur vor dem, was sie vor sich sah und zu tun gezwungen war -beinahe mehr noch ekelte sie sich vor Döberin selbst, vor dem Menschen, zu dem er aus welchen Gründen auch immer geworden war, und vor dem, was in ihm stecken mochte, was ihn antrieb. Weil es ganz einfach nichts Gutes sein konnte.
    »In Ordnung«, sagte Döberin, als sie fertig war und Nadel und Faden beiseite legte, neben die blutfleckigen Instrumente und die rot getränkten Tamponaden.
    Fio sah ihn an.
    Wie sehr sie sich in diesem Mann doch geirrt hatte.
    Gewiss, ein Genie war er. Wenn auch ein anderes, ein vielschichtigeres, als sie geglaubt hatte, da sie noch als Studentin in seiner Vorlesung saß.
    Aber er war auch mehr als nur das, mehr als nur besessen von seiner Arbeit, die er selbst nicht mehr tun konnte und für die er die Hilfe anderer Hände brauchte.
    Döberin war ein zutiefst von Kummer zerfressener Mensch. Seine ewig traurig wirkenden Augen waren keine Laune der Natur; sie hatten sich im Laufe vieler Jahre mit wachsender Trauer und Verzweiflung gefüllt.
    Ein bisschen litt Fio mit ihm. Als sei sein Gram so stark, dass sie ihn wirklich fühlen und wie mit ihren Sinnen fassen konnte.
    Döberin besah die andere Naht des Patienten. Das Fleisch dort war geschwollen, die Wundränder dunkel, entzündet.
    »Es gelingt nicht«, sagte Döberin, halblaut und zu sich selbst.
    Er blickte Fio an, und sie sah, wie ein neuer Tropfen Traurigkeit in seine Augen fiel.
    »Beten Sie, Signorina Gallo. Ich bitte Sie, beten Sie für ihn.«
    »Warum beten Sie nicht selbst?«
    Er schüttelte vage den Kopf, sein Blick an ihr vorbei und aus dem Raum hinaus gerichtet.
    »Ihr Gott und ich, wir haben uns von Anfang an … missverstanden.«
    Sein Blick wanderte weiter fort, noch tiefer hinein in eine andere Zeit vielleicht. Fio wollte etwas sagen, um ihn zum Weiterreden zu bewegen. Endlich hatte sie das Gefühl, einen Blick hinter das vordergründige Geschehen werfen zu dürfen, aber sie hatte noch lange nicht alles, noch nicht einmal genug gesehen. Da fuhr Döberin von sich aus fort:
    »Es gab eine Zeit, da habe ich tatsächlich geglaubt, Gott habe mir das Zeug in die Hände gelegt, um Wunder zu wirken. Können Sie sich das vorstellen?«
    Er sah sie nicht an, hatte jedoch nicht vergessen, dass sie da war. Obwohl er diesen Eindruck erweckte und seinerseits gar nicht mehr wirklich da zu sein schien.
    »Ich kann mir alles vorstellen«, sagte Fio, und es lag echte Überzeugung in ihren Worten.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das können Sie nicht. Sie sind zu jung, viel zu jung, um genug erlebt und durchgemacht zu haben, als dass Sie sich alles vorstellen könnten, Signorina. Ich hingegen habe Dinge gesehen und getan … oder versucht …«
    Döberin winkte ab. Seine Haltung, der Blick, die Art, wie er den Kopf senkte, verrieten Fio, dass er überzeugt war, jedes weitere Wort müsse sinnlos sein. Sie versuchte ihr Glück – er durfte jetzt nicht aufhören.
    »Was haben Sie denn getan … oder versucht zu tun?«
    Er stieß einen leisen Laut aus, der Selbstverachtung und Resignation zugleich ausdrückte.
    »Ich wollte Gott spielen«, sagte er. »Oder ich glaubte, Gott spielen zu können. Ich glaubte, Gott wolle durch mich wirken. Damals hielt ich das nicht für anmaßend. Ich war überzeugt, das Richtige tun zu können, und ich war wütend auf

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