Das Prometheus Mosaik - Thriller
Cassandra, die neben ihr lag und ihr Kind mehr aus sich herausschrie, als es einfach nur zu gebären.
Sie war schwach gewesen, feige. Damals schon.
Katharina …
Vielleicht war dieser Moment schon ein Vorzeichen dafür gewesen, was später passieren sollte.
Thor Lundgaard. Ganz anders als Jos´e war Lundgaard erst als alter Mann zu ihnen gekommen. Weil er sein Leben lang gebraucht hatte, um zu seiner wahren Brillanz zu finden, die ihn für sie nützlich machte.
Irena Babin, die Bionikerin aus der damaligen Sowjetunion; viele Menschen, die eine Gliedmaße verloren hatten, müssten ihr heute wohl dankbar sein, wäre Irena genug Zeit geblieben, ihre Arbeit zu anwendbaren Ergebnissen zu führen, die sich zudem vermarkten ließen.
Aber diese Zeit war vielen nicht geblieben.
Wegen »Katharina«. Wegen »Lorenz Hajek«. Wegen den … Bastarden.
Wieder kehrte das alte Bild mit Macht zurück. Im Geiste schaute Roxane zwischen ihren angewinkelten, nackten Knien hindurch auf die schwarzen Locken Jos´e Espinosas, der, seinen Bewegungen nach zu urteilen, das Gör aus ihr herauszuschrauben schien – während Cassandra neben ihr schrie, als würde ihr die Haut abgezogen.
£5 war ein Vorzeichen …
Weil es ein erstes Zeichen war für ihre unterschiedliche Bindung zu den Kindern.
Roxane hatte ihres zur Welt gebracht.
Cassandra hatte ihrem das Leben geschenkt.
Ein Anflug von Melancholie wollte Roxane überkommen. Sie erwehrte sich des Gefühls und suchte den einen Ort auf, der sie immer daran erinnern würde, was Cassandra ihrem Leben geraubt hatte.
***
U NTER W IEN , ETWA ZUR GLEICHEN Z EIT
Zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte Sara sich zurückversetzt, diesmal nicht nur um ein paar Stunden, sondern um etliche Jahre. In ihre Schulzeit. Und dort ins Hinterzimmer zwischen den Sälen für Chemie, Physik und Biologie, wo die Lehrer all die Apparaturen und Dinge aufbewahrten, die im Unterricht zum Einsatz kamen: Messgeräte, Glaskolben in Metallgestellen, getrocknete Pflanzen, ausgestopfte Tiere mit staubigem Gefieder und Fell. Und Anton natürlich, von dem sich hartnäckig das Gerücht hielt, es sei das Skelett eines ehemaligen Rektors, der seine Knochen der Schule testamentarisch vermacht hatte.
Bis auf Anton sah es jetzt um Sara herum fast so aus wie damals in jenem Raum ihrer alten Schule -und es war eine wirklich alte gewesen.
Theo ging mit einer gewissen Faszination zwischen den Tischen einher, an den Regalen und den Büchern entlang, die an den eigentlichen Wänden zu Mauern aufgetürmt waren.
Sara hörte aus irgendeiner Ecke ein Rascheln, dem sie nachspürte. Sie stieß auf einen großen Glaskasten, in dem sich eine Anzahl nackter, narbiger Ratten tummelte. Dazwischen lagen zwei oder drei tote Tiere, an denen ihre Artgenossen sich inzwischen gütlich getan hatten. Schaudernd wandte Sara sich ab. Dabei streifte ihr Blick ein in der Nähe stehendes Terrarium, in dem Frösche und Lurche lebten – und ein paar davon nicht mehr …
»Irgendwas gefunden?«, fragte sie Theo.
Er schüttelte den Kopf und zeigte auf eine der beiden Türen dieses unterirdischen Labors; durch die andere waren sie hereingekommen. »Lass uns nachsehen, was dahinter liegt.«
Die Tür war verschlossen, aber leicht zu öffnen. Sara steckte binnen Kurzem ihr »Spezialbesteck« wieder ein und hielt Theo die Tür auf.
Von oben herunter bis zu diesem Labor hatte es fast keine Möglichkeit gegeben, sich zu verlaufen, kaum abzweigende Türen oder Seitengänge. Das änderte sich hinter dieser Tür schlagartig. Allein von dieser Stelle aus boten sich drei Richtungen an, in die sie gehen konnten. Sie versuchten, etwas zu erlauschen, das ihnen als Wegweiser dienen konnte. Aber es war nichts zu hören, kein verräterischer Laut jedenfalls, der über das ganz leise und hohle Heulen des Windes hinausging, der durch die Gänge strich.
Sie entschieden sich für den mittleren Korridor, ohne besonderen Grund; er unterschied sich durch nichts von den beiden anderen, die nach links und rechts abzweigten.
Schon nach wenigen Schritten und weiteren Gelegenheiten, eine andere Richtung einzuschlagen, bestand zumindest kein Zweifel mehr, dass sie zurückgefunden hatten in jenes Labyrinth, in das Theo schon gestern Nacht geraten war.
Das Licht ihrer Taschenlampen tanzte vor ihnen her, über Wände mit leeren Fackelhaltern, Treppen hinunter und vorbei an Türen, von denen viele verschlossen waren und einige so verzogen, dass sie sich nicht öffnen ließen.
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