Das Prometheus Mosaik - Thriller
Brusttasche seines Kittels, in der eine Kugelschreiber-Taschenlampe steckte. Dann erst fiel ihm ein, dass er den weißen Kittel gar nicht trug.
Es blieb dunkel. Stockfinster. Totenstill.
Kein Grund zur Panik. Stromausfälle kamen vor, zumal in einem alten Gemäuer wie diesem. Und ob er wirklich etwas gehört hatte, dessen war Theo sich jetzt nicht mehr sicher. Der kurze Schreck konnte durchaus genügt haben, seine Sinne zu veranlassen, ihm etwas vorzugaukeln, das nicht da war.
Aber die ausradierte Tätowierung …
…war vielleicht gar keine gewesen. Schließlich hatte er unter Schock gestanden, als er sie entdeckt hatte (entdeckt zu haben geglaubt hatte). Er wollte nicht einmal anzweifeln, dass er etwas auf der Schulter seiner Mutter gesehen hatte. Ebenso wenig konnte er allerdings ausschließen, dass es nicht doch Blut war, das zu einer eigenwilligen Form getrocknet war. Oder Farbe. Schließlich war seine Mutter vom Balkon ihres früheren Malerateliers gefallen. Wer konnte schon sagen, was sie vor dem Sturz dort oben getan hatte? Und die Meisner mochte ein etwas zu starkes Lösungsmittel verwendet haben, um den Fleck zu entfernen …
Nur waren all das Fragen, die sich jetzt im Dunkeln und mutterseelenallein nicht klären ließen. Theo schob sie beiseite. Erst einmal galt es zu überlegen, was nun zu tun war.
Sollte er um Hilfe rufen?
»Quatsch.«
Theos eigene Stimme wisperte zwischen den Wänden hin und her.
Sch … sch … sch …
Ein Echo, wie um ihn zum Verstummen zu bringen. Dann verstummte es endlich selbst.
Nein, Theo war überzeugt, auch ohne jemandes Hilfe den Weg nach oben zu finden. Zum einen sollte das kein Problem sein, er kannte die Örtlichkeiten gut genug – und zum anderen würde er sich ganz bestimmt nicht der Schmach aussetzen, sich aus der Gruft retten lassen zu müssen. Der Spott der Kollegen und des Pflegepersonals würden kein Ende finden.
Obgleich es ohnedies dunkel war, schloss Theo die Augen, um sich zu konzentrieren. Links, höchstens zwei Schritte von ihm entfernt, befand sich die Tür, durch die er hereingekommen war. Dieser Tür gegenüber gab es eine zweite, die in den eigentlichen Sektionsraum führte.
Vier Schritte durch die Finsternis brachten Theo zu dieser Tür. Auch sie öffnete sich mit jenem Laut, den Gummi erzeugte, wenn er von Metall abließ. Dahinter – kein Licht, nur tintige Schwärze, keine Regung, kein Ton.
Theo suchte und fand den Lichtschalter, drückte ihn, einmal, zweimal. Nichts. Es hatte also niemand das Licht ausgeschaltet, aus welchem Grund auch immer; es gab schlicht keinen Strom.
Den linken Arm ausgestreckt, die Hand flach an der Wand, tastete er sich zu der Tür vor, die aus dem Sektionsraum auf den Gang hinausführte. Kurz erwog er, nach dem Sicherungskasten zu suchen, der sich, wenn er nicht irrte, irgendwo in diesem Raum befand. Dann entschied er sich doch dagegen -im Dunkeln würde er womöglich mehr Schaden anrichten als gutmachen. Stattdessen öffnete er die Tür und schlüpfte auf den ebenfalls in Schwärze daliegenden Gang hinaus, wo er sich, die Hand auch hier an der Wand, nach links wandte und ein paar Schritte ging.
Bis ihn etwas aufhielt.
Etwas, das ihm das Kinn zu zertrümmern schien!
Eine Faust?
Einen Moment lang schien es blendend hell um Theo herum zu werden. Dann verging diese Illusion, und es blieb nur der Schmerz.
Er schlug seinerseits blind um sich, traf etwas, jemanden. Ein Stöhnen, vor Schmerz und Wut.
Ganz kurz verspürte Theo ein aufloderndes Triumphgefühl, dessen Wildheit ihn fast erschreckte. Dann verging es unter einem zweiten, noch härteren Schlag, der seine Rippen traf. Die Wucht warf ihn nach hinten und ließ ihn zu Boden stürzen.
Wie von weit her hörte Theo nun wieder Schritte, die sich von ihm entfernten, schnell diesmal, weil die Person im Dunkeln vor ihm davonrannte.
Im Aufrappeln schmeckte Theo Blut auf den Lippen. Er wischte es mit dem Handrücken weg und setzte sich ebenfalls in Bewegung, so zügig, wie es ihm im Finstern möglich war.
Seine Hand ertastete eine Kante, er bog um die Ecke. Die Schritte vor ihm wurden wieder lauter. Dünner Lichtschein flackerte durch die Dunkelheit und verschwand, als die Person vor ihm – weit vor ihm, zu weit vor ihm – um eine weitere Gangbiegung rannte.
»Stehen bleiben!«, rief Theo und kam sich furchtbar albern dabei vor, lächerlich und hilflos.
Seiner Entschlossenheit, den anderen zu erwischen, um Licht ins Dunkel dieses rätselhaften Tages zu
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