Das Prometheus Mosaik - Thriller
jetzt letzte Hand an den Verband legte, den er Theo verpasst hatte.
»Danke noch mal«, sagte Theo, als sein Freund und Kollege fertig war. »Auch für die Befreiung aus dem Keller.«
Yash hob die Schultern. »Ich hatte dich gesucht, weil ich dachte, du möchtest vielleicht nicht allein da runtergehen.« Yash selbst hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie ungern er in die Gruft hinabstieg.
»Das dachte Meisner auch. Aber ich wollte wirklich allein sein. Weil …« Jetzt zuckte Theo mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht. Schien mir das Richtige zu sein, irgendwie.« Und dann fügte er noch hinzu: »Ich versteh mich einfach nicht auf solche Dinge.«
»Ist doch klar. Du hattest ja auch noch keinen Todesfall in der Familie.«
Das stimmte nicht. Doch Theo verzichtete auf eine Erwiderung. Es war lange her, und er war klein gewesen, zu jung, um sich wirklich an seinen Vater zu erinnern.
Während er noch immer auf dem Behandlungstisch saß, ließ Theo sein kleines Mobiltelefon zwischen den Fingern einer Hand hindurchwandern. Mehr an sich selbst gerichtet als an Yash, fragte er leise und zum x-ten Mal, seit es geschehen war: »Wer tut so was? Und warum?«
Nun sah er doch Yash an, als erwarte er, dass sein Freund die Antwort wüsste. Aber der deutete nur auf Theos Handy und sagte: »Es ist Aufgabe der Polizei, das herauszufinden.«
Theo holte die Visitenkarte von Hauptkommissar Ordnung hervor, mit dem er am Nachmittag wegen des Todes seiner Mutter gesprochen hatte. Er erwischte Ordnung am Handy. Mit wenigen Worten schilderte er, was passiert war. Ordnung zeigte sich konsterniert und fragte noch einmal nach, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht verhört hatte. Dann versprach er, selbst vorbeizukommen und die Spurensicherung in Marsch zu setzen. Theo wollte ihn am Haupteingang erwarten.
Auf dem Weg durchs Krankenhaus dorthin meinte Yash: »Hast du vielleicht ein Foto, auf dem das Tattoo deiner Mutter zu sehen ist? Könnte die Polizei sicher gebrauchen.«
Theo wich einem voll beladenen Wäschekarren aus und schüttelte den Kopf, nicht so vorsichtig diesmal, was er sogleich bereute. »Es gibt keine Fotos von meiner Mutter.«
Yash warf ihm nur einen erstaunten Blick zu.
»Wir haben überhaupt keine privaten Fotos. Wir besitzen nicht einmal eine Kamera«, erklärte Theo.
»Keine Familienfotos?« Die Verwunderung stand Yash ins Gesicht geschrieben. »Warum das denn?«
»Alle verbrannt.« Theo stockte kurz. Eben hatte er noch daran gedacht und nicht darüber reden wollen. Nun tat er es doch. »Bei dem Brand, durch den mein Vater ums Leben kam.«
Mochte die Erinnerung an die Person seines Vaters auch so gut wie nicht existent sein, das Feuer hatte Theo nicht vergessen. Heute noch kam es ihm vor, als werfe er einen Blick in die klischierte Hölle, wenn er nur daran dachte. Und immer noch konnte er die sengende Hitze spüren, die Atemnot immer wieder neu erleben, weil die Flammen allen Sauerstoff gefressen hatten …
»Tut mir leid«, hörte er Yashs Stimme wie aus einem anderen Raum, und sie lotste ihn zurück aus jener Vergangenheit, die er gern vergessen hätte, weil er in manchen Nächten noch immer in ihr aufwachte und sich dann mit einem Ruck aufsetzte und den brutalen Schmerz im Rücken spürte, mit dem …
Er schloss kurz die Augen, atmete durch, winkte ab. »Schon gut. Ist lange her.«
Yash nahm seinen ursprünglichen Gedankenfaden wieder auf. »Könntest du dieses Tattoo vielleicht aus deiner Erinnerung aufzeichnen?«
Theo wiegte behutsam den Kopf. »Ja, ich glaube schon. Ich habe zwar keine Ahnung, was es darstellen soll, aber es war eigentlich ganz simpel. Eine Art … Rune, eine Hieroglyphe oder so was.«
Er suchte in seiner Jacke nach Stift und Papier, wurde nicht fündig und bat im nächsten Schwesternzimmer darum, wo er beides bekam. Kurzerhand nahm er am dortigen Tisch Platz und begann zu zeichnen. Yash sah ihm dabei über die Schulter.
Schließlich blickten sie beide auf die fertige Zeichnung hinunter, als müssten sie nur lange genug hinsehen, damit sie ihnen sämtliche Geheimnisse offenbarte … diese schlichte Raute, die mit der unteren Spitze auf einem Querstrich saß.
Teil II
… DAS W ORT Z UFALL IST G OTTESLÄSTERUNG .
N ICHTS UNTER DER S ONNE IST Z UFALL ;
- AM WENIGSTEN DAS ,
WOVON DIE A BSICHT SO KLAR IN DIE A UGEN LEUCHTET .
G OTTHOLD E PHRAIM L ESSING : E MILIA G ALOTTI
1.April
B ERLIN , P OTSDAMER P LATZ , MITTAGS
Paul Finn hatte sich mit seiner Mutter verabredet, die
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