Das Prometheus Mosaik - Thriller
vorhatten? Und müsste er Hajek dann nicht sehen von seinem Standort aus, wo er doch schon bis auf ein paar Schritte ans Tor herangekommen war?
Das konnte eigentlich nur eines bedeuten. Die Vorstellung würgte Theo wie eine Hand, die sich um seinen Hals legte und schlagartig zudrückte – während sie ihn zugleich in eiskaltes Wasser tauchte.
Sie hat ihn erwischt …
Er hatte Hajek nicht wirklich nahegestanden. Aber der Gedanke an seinen möglichen Tod berührte Theo fast stärker als der tatsächliche Tod seiner Mutter.
Dafür schämte er sich, ein Scheißgefühl war das. Er schob es auf die Situation. Immerhin hätte er hier ebenso gut ums Leben kommen können.
Und das darf einem doch wohl nahegehen, oder?
Zumal es, vielleicht, noch gar nicht ausgestanden war.
Er ging wieder in die Knie. Die junge Frau sah ihn aus blauen Augen an, fragend oder auffordernd -um das zu unterscheiden, reichte seine Menschenkenntnis nicht.
»Verschwinden wir erst mal«, schlug er vor und kam sich dabei ein bisschen feige vor. Was, wenn Hajek nicht tot war, wenn er verletzt irgendwo lag …?
Um ihre Menschenkenntnis schien es besser bestellt zu sein. Sie musste ihm ansehen, womit seine Gedanken und Gefühle rangen.
»Wir können jetzt nichts anderes tun«, sagte sie. »Wenn wir in Sicherheit sind, sehen wir weiter. Okay?«
»Okay.«
Er wies in Richtung des grauen Torbogens und nickte ihr zu.
Sie gab das Startkommando. »Los.«
Nach scheinbar endlos langen Sekunden, in denen Theo sich unentwegt wie im Visier einer Schusswaffe fühlte, erreichten sie die offen stehende schmiedeeiserne Pforte und schlüpften hindurch. Als Theo wirklich wieder halbwegs klar denken konnte, saßen sie bereits in seinem SUV, er am Steuer, sie auf dem Beifahrersitz. Keuchend rangen sie nach Luft.
»Was jetzt?«, fragte die Frau laut schnaufend und wischte sich mit beiden Händen Schweiß und Regen vom blassen Gesicht.
Mit der Rechten drehte Theo den Zündschlüssel, in der Linken hielt er bereits sein Handy.
»Ich rufe die Polizei an«, antwortete er.
Doch bevor sein Finger die Taste berührte, rief jemand bei ihm an. Das kleine Gerät noch nicht ganz am Ohr, meldete er sich mit einem knappen »Ja?«.
Sara konnte hören, leise zwar, aber deutlich, wie sich der Anrufer meldete. Sie erkannte die Stimme des Fremden, dem sie nun schon zweimal ihr Leben verdankte.
»Es ist noch nicht vorbei«, sagte er. »Hör gut zu und tu genau, was ich sage.«
***
Immerhin, inzwischen hatten sie sich einander vorgestellt. Klarheit hatte das jedoch nicht geschaffen. Im Gegenteil, sein Name war für Sara wie eine Faust in den Magen gewesen.
»Lassing? Wie in Katharina Lassing?«, fragte sie.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, dann sah er wieder auf die Straße. Sie waren inzwischen zweimal abgebogen, und Sara wusste jetzt schon nicht mehr, wo sie waren. Das Interesse daran rangierte momentan ziemlich weit unten auf ihrer Liste von Dingen, die sie wissen wollte.
»Ja. Sie war meine Mutter«, erwiderte er. »Warum?«
Sie antwortete nicht, sondern fragte weiter: »War?«
»Meine Mutter ist … verstorben. Vor drei Tagen. Warum möchten Sie das wissen? Kannten Sie meine Mutter?« Sein Ton war plötzlich schneidend.
Sie sagte noch immer nichts. Rechnete stattdessen im Kopf zurück. Versuchte, eins und eins zusammenzuzählen, und kam einfach nicht auf zwei.
Sara seufzte stumm. Es schien ihr, als hätte sie eine Schachtel mit tausend bunten Steinchen vor sich, die sich auf eine ganz bestimmte Weise zu einem Bild ordnen ließen. Bloß wusste sie noch nicht einmal, mit welchem dieser Steinchen sie anfangen sollte.
Trotzdem, all diese einzelnen Informationen – ob sie nun Fakt waren oder nicht – hingen zweifelsfrei zusammen, irgendwie.
Das ist doch schon mal ein Anfang …
»Kannten Sie meine Mutter?« Theo Lassing wiederholte seine Frage, noch eindringlicher diesmal. Er beugte sich sogar ein klein wenig zu ihr herüber, und sein Blick ruhte nicht nur länger auf ihr, er hielt sie so fest, dass Sara es zu spüren glaubte, Händen gleich, die sich um ihr Gesicht legten und sie zwangen, ihrerseits ihn anzuschauen.
Seine unheimliche Ähnlichkeit mit Paul ließ Sara schaudern. Der Unterschied zwischen den beiden bestand eigentlich allein darin – das konnte sie nun sehen, da sie neben dem anderen saß -, dass er besser rasiert, besser frisiert und besser gekleidet war.
Sie schloss kurz die Lider, und es klappte – der Bann des Augenblicks brach, und sie
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