Das Prometheus Projekt
ihr der Zweck seines Daseins. Adrian war zurückgesunken in die Benommenheit, in der Schmerz und Wirklichkeit, das Leben an sich, keinerlei Bedeutung mehr besaß.
Seine Gedanken kehrten zu Brad Wilson zurück. Wie ein Springteufel aus der Kiste war er aus der Vergangenheit aufgetaucht. Es konnte kein Zufall sein, dass Wilson in dieser Nacht eine Hauptrolle spielte.
Adrian ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken und starrte an die Decke. Die Bilder jenes heißen Sommertages in der Kiesgrube kehrten zurück. Dreiundzwanzig Jahre schrumpften zu einem Augenblick zusammen. Er befand sich wieder in Mayville, dem kleinen Ort in der Nähe von Chicago, in dem er geboren worden war. Adrian war elf Jahre alt und stand in der Tür der Tankstelle, als …
Diesmal würden sie ihn erwischen, soviel stand fest. Zum ersten Mal hatte Adrian wirklich Angst. Dabei hatte er keine Ahnung, warum Brad so wütend war. Wütend? Brad war außer sich . Als Adrian dem Großmaul an der Tankstelle am Ende der Maple-Street begegnete, wusste er sofort, dass es wieder Ärger geben würde. Adrian machte einen Bogen um Brad, aber Mayville war eben ein winziger Ort – kein Wunder, wenn man sich dauernd über den Weg lief.
Adrian war von der Schule nicht auf direktem Weg nach Hause geradelt. Wäre er in der brütenden Mittagshitze nicht so versessen auf das Zitroneneis aus McKenzies Truhe gewesen, dann säße er jetzt auf der schattigen Veranda hinter dem Haus und überlegte sich, was er mit dem Nachmittag anfangen sollte.
Mit dem Eis in der Hand trat er aus der Verkaufsbude und sah sie sofort. Sie standen auf der anderen Straßenseite, als hätten sie die ganze Zeit auf ihn gewartet: Der schlaksige Phil beugte sich lässig über den Lenker seines Fahrrads. Er schien jeden Tag ein Stück zu wachsen, und sein Gehirn konnte dabei offenbar nie Schritt halten. Neben ihm stand breitbeinig der dicke Mike, den alle ,Bulle’ nannten. Seine roten Stoppelhaare leuchteten in der grellen Sonne. Grinsend präsentierte er die Zahnlücke, die von der letzten Schlägerei stammte. Daneben warteten Matt, der immer Spaß daran hatte, Katzen zu quälen - und Brad , Brad Wilson!
Brad war stinksauer, seine grauen Augen blitzten. Adrian warf das Eis mit der halb aufgerissenen Verpackung in die Mülltonne neben der Tür, rannte zu seinem Mountainbike, sprang in den Sattel und trat in die Pedale, was das Zeug hielt. Da war etwas in Brads Gesicht, was in Adrians Kopf eine übergroße Warnlampe zum Glühen brachte. Brad hatte nicht nur einfach vor, ihn zu verprügeln; nein, diesmal wollte er ihn richtig fertig machen. Da war ein abgrundtiefer Hass in Brads Augen, den Adrian noch nie bei ihm gesehen hatte. Viel mehr Hass, als ein zwölfjähriger Junge empfinden sollte.
Adrian raste die Main-Street hinab, obwohl er sich damit von Zuhause entfernte. Aber die vier ließen ihm keine Wahl, sie hatten ihm den Fluchtweg abgeschnitten.
Adrians Kopf fühlte sich leer und kalt an. Das Blut sackte in seine Füße hinab . Die einzigen Teile seines Körpers, die im Augenblick noch funktionierten, waren die Beine. Sein Instinkt war auf Flucht programmiert und schien alles abzuschalten, was nicht unmittelbar zum Überleben gebraucht wurde.
D er Junge erreichte die Kreuzung oberhalb der kleinen Kirche. An dieser Stelle machte die Main-Street einen scharfen Knick nach rechts und führte dann bergab auf das Ende des Ortes zu. Adrian riss den Lenker herum und raste um die Biegung, wobei er fast den alten Kinley über den Haufen fuhr. Der gehetzte Junge kurvte in einem waghalsigen Schlenker um Kinley herum, beugte sich tief über den Lenker und schoss wie ein Pfeil auf das Ortsschild zu.
Immer wieder drehte er den Kopf und blickte zurück. So sehr Adrian auch gehofft hatte, sie abgehängt zu haben, er wurde enttäuscht. Mike und Brad hatten sogar aufgeholt und spurteten hundert Meter hinter ihm die Strasse hinab. Die anderen beiden Jungen hatten sich aufgeteilt und fuhren über die breiten Gehwege rechts und links der Straße den Berg hinunter. Phil grinste dabei die ganze Zeit wie ein Irrer und freute sich bereits auf die Prügel, die er Adrian verpassen würde.
Hinter der Kurve am Ortsausgang führte die State Road 211 schnurgerade nach Süden, auf der rechten Seite begleitet von der Eisenbahntrasse. Es wurde Zeit, dass Adrian sich etwas einfallen ließ. Die Angst lähmte ihn und verkleisterte seinen Verstand, aber wenn ihn sein Kopf jetzt im Stich ließ, würde Brad ihn
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