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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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»Bring Florence in Mrs. Ardens Reich. Sie soll sich die Hände waschen – Florence, nicht Mrs. Arden.«
    »Sehr wohl, Sir«, erwiderte das Mädchen. » Sir « schien also in Ordnung zu sein – für den Fall, dass ich doch einmal etwas sagen musste oder durfte. »Haben Sie noch einen Wunsch, Milady? Noch Tee oder Gebäck? Oder wünschen Sie, dass ich abräume?«
    »Wir wünschen, dass du dich Florencens annimmst«, antwortete Rufus an Stelle seiner Schwester, »und dich entfernst.«
    Ich ging schnell zur Tür, um Clara nicht in weitere Schwierigkeiten zu bringen. Sie war so schweigsam wie Sally und vermied es genauso, mich anzublicken. Das wunderte mich jetzt nicht mehr. Ich hätte auch nicht gewusst, wie ich mich einem Mädchen im spitzenbesetzten weißen Kleid gegenüber verhalten sollte, das sich in der Küche die Hände waschen musste. Dass ich nicht in das persönliche Bad von Milady durfte, war klar, aber hieß das, ich musste mich jetzt immer da unten waschen, wenn ich warmes Wasser haben wollte? Selbst in St. Margaret’s wurden wir alles halbe Jahr heiß gebadet – heiß zumindest für diejenigen, die zuerst durch die Wanne durften. Gut, ich hatte in meinem Zimmer zumindest eine Waschschüssel gesehen, und unter meinem Bett einen Nachttopf – der würde ausreichen, bis ich herausgefunden hatte, ob Hollyhock auch über Klosett verfügte. Das war nichts, womit ich jetzt dieses arme Mädchen quälen wollte.
    Clara erschien mir etwas jünger als Sally und noch unsicherer, aber nach dem, was Rufus und Violet über ihre Tante erzählt hatten, war das Personal im Haus genauso neu wie die beiden Geschwister. Ich fragte mich, was aus der steinalten Dienerin geworden war, aber es hatte nicht so geklungen, als ob sie noch da wäre. Zumindest nicht lebend …
    »Ist Mrs. Arden die Köchin?«, fragte ich leise, als mich Clara über den Dienstbotenflur und die Kellertreppe hinunterführte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist Mrs. Doyle. Mrs. Arden ist die Haushälterin.«
    Ich bedankte mich für die Auskunft. Je schneller ich im Kopf die Namen zusammenbekam, desto besser. Auch wenn ich geschworen hatte, niemandem etwas von den Geheimnissen, die ich sowieso noch nicht kannte, zu erzählen, war es doch nie empfehlenswert, Hausangestellte nur mit » He, du « anzureden. Selbst Rufus kannte offensichtlich die Namen seiner Hausmädchen, und nach allem, was ich wusste, war das keine Selbstverständlichkeit.
    Die Personen in der Küche zuckten sichtbar zusammen, als plötzlich mein weißes Kleid im Türrahmen erschien. In dieser Welt hatten die Herrschaften nichts verloren, ihre Autorität wurde durch den Butler und die Haushälterin vertreten. Hier gehörte ich ebenso wenig hin wie in Violets Salon. Ich konnte Mrs. Arden nicht sehen, wenn ich davon ausging, dass sie die Frau war, die ich in der Halle getroffen hatte, aber ein dickes Weib, dem das Wort » Köchin « ins Gesicht geschrieben stand, starrte mich unverhohlen feindselig an. »Was willst du hier?«
    »Ich bin Florence«, sagte ich ruhig – es fühlte sich seltsam an, zum ersten Mal diesen Namen auszusprechen. »Ich soll mir hier die Hände waschen.« Ich sah auch schon, wo das passieren sollte. Ein armes Mädchen, von dem ich nicht mehr sah als den schmalen Rücken, war über einen Zuber gebeugt und bearbeitete darin irgendwelche Töpfe oder Geschirr. Als ich näher trat und das Geschöpf aufblickte, sah ich in ein Paar strahlend blauer Augen in einem See aus Sommersprossen, und es war der freundlichste Blick, den ich seit meiner Ankunft in Hollyhock empfangen hatte, dass ich gar nicht anders konnte, als zurückzustrahlen.
    »Dann mach hin«, sagte die Köchin. »Du siehst ja, wo es ist.« Ihre Augen folgten mir wie einem Spion, dem nicht zu trauen war. Ich bildete mir ein, billigen Gin zu riechen, aber vielleicht lag das auch nur an ihren geröteten Wangen. Sie hatte mehr Bartstoppeln, als einer Frau zu Gesicht standen, es sei denn, sie trat damit im Zirkus auf. Aber ich beachtete sie nicht weiter. Vorsichtig, um das Kleid nicht nass oder schmutzig zu machen, beugte ich mich über den Zuber. Das Mädchen spülte darin Kupferpfannen mit einem Paar Hände, das röter war als die Töpfe. Das also war das Schicksal, vor dem die Molyneux’ mich bewahrt hatten. Schon allein deswegen fühlte ich sofort eine Verbindung zu der armen Scheuermagd – mehr als zu Clara, die verschwunden war, kaum dass sie mich abgeliefert hatte, ob sie nun vor der Köchin floh oder vor

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