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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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keine Angst haben.« Sie hielt ihr Glas in der Hand und schwenkte es sanft in der Handfläche hin und her, ganz so, wie ich mir einen Schlangenbeschwörer vorstellte.
    Ich nickte und nippte. Der Cognac brannte im Mund, und ich war froh, dass wirklich nicht mehr als ein Schluck in meinem Glas war. Mein Geschmack war das nicht, und Alkohol war mir unheimlich. Ich kannte genug Geschichten, in denen er arme Mädchen in willenlose Opfer verwandelte, und das wollte ich vermeiden, vor allem im Umgang mit jemandem, dem ich so wenig traute wie Violet. Natürlich konnte sie mich nicht ausnutzen, wie es ein Mann vermochte – noch nicht einmal von Rufus konnte ich mir das vorstellen –, aber trotzdem: Es war Vorsicht. Ich war erleichtert, als Violet nicht darauf bestand, mir nachzuschenken, sondern es wirklich nur bei diesem einen Schluck beließ.
    »Gleich geht es dir besser«, sagte Violet. »Glaube mir nur.«
    Ich fühlte meinen Hals brennen, meinen Magen und meine Wangen, während ich dasaß und gehorsam wartete, dass es mir besserging. »Ich würde Ihnen dann gerne gleich –«, sagte ich und brach ab, als ich begriff, dass Clara noch im Zimmer war; unsichtbar im Hintergrund wartete sie darauf, das Tablett wieder abräumen zu können. Es musste eine besondere Gabe sein, die diese Mädchen bei Bedarf fast unsichtbar machte.
    »Schon gut«, sagte Violet. »Clara, du kannst gehen.« Sie hatte es nicht nötig, Versteck zu spielen mit ihrem Personal, und ebenso wenig musste sie zum Puppenzimmer schleichen. Solange Violet mich begleitete, würde uns niemand folgen. Sie schwebte durch die Halle und ich hinterher. Kurz fragte ich mich, ob ich ihr auch von der seltsamen Begegnung auf dem Flur erzählen sollte, entschied mich dann aber, es bleibenzulassen. Es hatte nichts mit den Puppen zu tun, sondern mit den restlichen Geheimnissen von Hollyhock, und Violet brauchte nicht zu wissen, dass ich denen ebenfalls auf der Spur war.
    Es war das erste Mal, dass Violet das Puppenzimmer besuchte, seit ich dort für Ordnung gesorgt hatte, und sie sah sich überrascht und neugierig nach allen Seiten um. »Ich sehe, du warst ein fleißiges kleines Mädchen. Sehr schön. Die Sammlung ist sehr eindrucksvoll, aber die weißen Laken haben diesem Raum doch ein wenig den Charme einer Leichenhalle verliehen, meinst du nicht?« Sie durchwanderte das Zimmer, sah sich hier um und dort, und ihre zierlichen Füße hinterließen keine Abdrücke auf dem Teppich. »Nun zeige mir die Puppe, von der du gesprochen hast.«
    Ich fasste mir ein Herz, dann nahm ich die Puppe von ihrem Platz und streckte sie Violet hin. »Hier, das ist sie.« Ich hoffte, Violet würde sie nehmen, damit ich sie los war, aber die schaute sie nur mit den Augen an. Sie beugte sich vor und betrachtete die Puppe von allen Seiten; vermutlich wusste sie es besser, als dieses Ding anzufassen.
    »Sehr schön«, sagte sie. »Wie heißt sie? Hast du ihr schon einen Namen gegeben?«
    Ich nickte. »Das ist Janet –«, fing ich an, doch weiter kam ich nicht. Violet schlug mich mit der Hand ins Gesicht. Es tat nicht weh, Violet fehlte die Kraft, die Miss Mountford in ihre Ohrfeigen legen konnte, und in erster Linie fiel mir auf, wie kalt ihre Hände doch waren, aber vor allem war ich sprachlos vor Überraschung.
    »Diesen Namen wirst du in unserem Haus nicht mehr aussprechen!«, fuhr Violet mich an. »Er ist hier unerwünscht.«
    Ich stand da wie Falschgeld, hielt die Puppe fest und wusste nicht, was ich sagen sollte. Mich entschuldigen? Bestimmt nicht. Es war ein ganz normaler Name, da war nichts Ungehöriges dran. Schließlich sagte ich: »Ich wusste nicht …«
    Und Violet war auch schon wieder freundlich. »Natürlich, wie solltest du auch«, sagte sie. »Aber merk es dir, für die Zukunft.«
    Ihr Stimmungswandel ging mir zu plötzlich. Ja – nein – ja, das war nichts für mich. Leute wie die Köchin, die immer garstig waren, die konnte ich einschätzen. Aber hier stand ich mit Violet, und ich konnte nicht einfach so vergessen, dass sie mich gerade geschlagen hatte, aus heiterem Himmel, nur weil sie einen Namen nicht hören mochte. Lag das an mir, an Violet – oder an der Puppe? Ich machte einen Schritt zurück, die Puppe immer noch in Händen. »Jedenfalls, das ist sie«, sagte ich fahrig.
    Violet nickte. »Setz sie wieder an ihren Platz, ja?« Nichts tat ich lieber als das. »Und sorge dich nicht wegen der Namen. Es war eine dumme Idee von mir, dass die Puppen Namen brauchen. Du musst

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