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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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Park aus einem Amselnest genommen hatte, kurz bevor der Vogel schlüpfen konnte. Ich bildete mir ein, ein ganz leichtes Vibrieren zu spüren, als ob sich etwas in dem Puppenkörper regte. Ich musste lächeln bei der Vorstellung, dass ich vielleicht den Schuldigen im Fall des seltsamen Lachens gefunden hatte, und dann, als ich begriff, dass ich darüber lächelte, bekam ich doch wieder etwas Angst.
    Vorsichtig hob ich die Puppe hoch und hielt sie an mein Ohr, hoffte, dass sie nicht ausgerechnet jetzt wieder kichern würde, aber wie sonst hätte ich hören sollen, ob etwas in ihrem Inneren war? Es konnte eine ganz einfache Erklärung geben: Vielleicht war der Körper in Wirklichkeit aus Holz, und jetzt saßen die Würmer darin und ließen es sich gutgehen – aber es fühlte sich nicht wie Holz an, erst recht nicht wie verwurmtes. Es war wirklich eher wie ein Ei, und als ich dasaß und die Puppe gegen mein Ohr presste, verspürte ich plötzlich den Wunsch, sie stattdessen an mein Herz zu drücken wie ein lebendes Kind.
    Ich zitterte, als ich den Drang niederkämpfte. Gerade weil ich normalerweise nicht mit Puppen kuschelte, wollte ich mir jetzt nicht ausgerechnet von einer vorschreiben lassen, das zu tun. Sie durfte sich seltsam anfühlen. Sie durfte von mir aus auch kichern, soviel sie wollte. Aber so nah an meinem Herzen, an meinem Leben und meiner Wärme, hatte sie nichts, nichts, nichts verloren. Als ich sie wieder anzog, wünschte ich mir ein Paar Handschuhe – was für eine seltsame Vorstellung, mich vor einer Puppe schützen zu wollen! Es hatte auch ein Gutes an sich, dass ich dort ganz alleine saß: Niemand war da, um mich auszulachen, und ich durfte mich fürchten, soviel ich wollte.
    Am Ende trug die Puppe wieder ihr Matrosenkleidchen, als wäre sie niemals nackt gewesen, und sah mich unschuldig an. Ich wollte sie nicht auf ihren Platz zurücksetzen, sondern sie in irgendeiner Ecke verstecken, wo ich sie nicht so schnell wieder vor Augen hatte.
    Kopfschüttelnd sah ich sie an. »Wirklich«, sagte ich, »ich glaube ja nicht, dass du mir irgendetwas Böses willst, aber ich treffe gern meine eigenen Entscheidungen. Ich suche mir die Puppen, mit denen ich arbeite, selber aus, und ich entscheide auch, wen ich an meine Brust lasse und wen nicht – das gilt für Burschen ebenso wie für Puppen.« Ich errötete bei meinen eigenen Worten. Bis jetzt hatte sich noch kein Bursche an meine Brust verirrt, wodurch ihm größere Enttäuschung erspart geblieben war – vielleicht in einem Jahr oder dreien würde ich dort mit etwas aufwarten können, das auch nur ansatzweise an Weiblichkeit erinnerte und sich so anfühlte …
    Aber wünschte ich mir da gerade, Alan würde es versuchen? Ich zwinkerte die unzüchtigen Gedanken hinfort. Das kam davon, wenn man nicht betete – nicht nur nicht vor dem Essen, sondern auch nicht zur Nacht oder am Morgen … Kaum war niemand mehr da, der mich dazu anhielt, hatte ich alles vergessen, was mich Miss Mountfords strenge Worte und allzu oft auch ihr Rohrstock gelehrt hatten: Rede nur, wenn du gefragt wirst, danke Gott für seine Barmherzigkeit und sag immer deine Gebete. Aber hier in Hollyhock war nicht mehr Gott barmherzig zu mir, sondern Rufus, und zu dem wollte ich ganz sicher nicht beten.
    »Jetzt willst du auch noch einen Namen haben, oder?«, fragte ich die Puppe und wünschte mir, dass sie nicht antwortete. Aber ich wollte sie los sein; das Gefühl, etwas in der Hand zu halten, das lebte und aus seiner Schale ausbrechen wollte, war nichts, was ich noch länger aushalten mochte. So hatte ich es diesmal eilig, die Puppe zu taufen. Ein Name war ebenso gut wie der andere, wenn es schnell gehen musste. »Weißt du was?«, sagte ich. »Ich nenne dich Janet. Der Name ist ja jetzt übrig, wo Lucy Lucy ist.«
    Die Puppe sah nicht so aus, als ob sie sich darüber freute oder ärgerte, und dann sollte es mir recht sein. Ich schob sie auf dem Sofa in die hinterste Reihe, entdeckte dabei ein bezauberndes kleines Geschöpf mit blonden Ponyfransen, von dem ich jetzt schon wusste, dass ich es Elvira nennen würde, nach Elvira Madigan – aber das alles hatte Zeit für später. Erst einmal war ich froh, für den Tag fertig zu sein und das Puppenzimmer verlassen zu können. Doch als ich an der Tür war und aufschließen wollte, um wieder hinauszukommen, hörte ich es wieder. Irgendwo im Zimmer hinter mir lachte ein Kind.
    Einmal ließ ich es ja noch mit mir machen. In der Nacht, wo es ebenso gut

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