Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
schweigt endlich, Ihr Störenfriede!«, rief der Mann neben Gravesande und ballte wütend die Faust.
Gravesande drehte sich um und bedeutete ihm mit der Hand, ruhig zu bleiben. »Schon gut! Beruhigt Euch!«
Der Mann ließ kopfschüttelnd den Arm sinken.
»Ein Duell?«, wiederholte Gärtner; dieses Mal sprach er mit gedämpfter Stimme.
»Nicht ein solches, an das Ihr denkt«, flüsterte Gravesande. »Keines mit dem Degen, sondern mit dem Verstand und dem Geldbeutel. Genauer gesagt, dachten wir an eine Wette.«
Gärtner atmete erleichtert auf, schaute aber immer noch verwirrt. »Ich verstehe nicht ganz«, wisperte er.
»Ihr sagtet, dass Orffyreus unter Protektion des Landgrafen steht. Nun ja, der Landgraf wird ihn kaum vor einer fairen und offenen Wette unter Ehrenmännern beschützen. Gewinnt Ihr aber diese Wette, wird Orffyreus finanziell ruiniert sein. Und der Landgraf wird erkennen, dass Orffyreus nichts weiter ist als ein blutsaugender, nichtsnutziger Floh in seinem Pelz.«
»Wie soll die Wette aussehen?«, fragte Gärtner.
»Wir dachten an eine Wette über tausend Taler.«
»Tausend Taler? Über eine solche Summe verfüge ich nicht!«
»Wir werden Euch diese Summe für die Wette zur Verfügung stellen, gehen aber nicht davon aus, dass Ihr verlieren könnt!«
»Und worum soll es bei dieser Wette gehen?«
»Schaut dort!« Gravesande wies auf die Bühne und erklärte seinem Begleiter das Geschehen. »Dardano hat Amadigi zum Duell um die Gunst von Oriana herausgefordert. Melissa hat um die beiden Streithähne einen Feuerkreis gezaubert.«
»Dardano ist getroffen! Er wird verbrennen!«, rief Gärtner erschrocken aus, als der größere der beiden Sänger sich an die Brust griff, theatralisch zu Boden sank und den auf der Bühne entzündeten Flammen gefährlich nah kam. Gravesande schüttelte den Kopf. »Die Flammen sind aus Papier! Im King’s Theatre waren sie wenigstens echt!«
»Nun habt Ihr den Bogen überspannt!« Vor ihnen hatte sich der Mann, der sie bereits mehrmals zur Ruhe aufgefordert hatte, mit hochrotem Gesicht drohend aufgebaut.
»Der Gesang ist das Einzige, was hier stört, in dieser … Scheune!«, zischte Gravesande dem Mann entgegen. »Aber jetzt weiß ich wenigstens, aus welchem Loch Händel emporgekrochen ist.« Dann drängelte er sich an dem empörten Zuschauer vorbei und schritt mit durchgedrücktem Rücken und erhobenen Hauptes zum Ausgang.
Gärtner war bemüht, ihm möglichst dicht zu folgen.
63
Boris Antonow stöhnte auf. Im Schlafzimmer herrschte eine Bruthitze.
In den vergangenen Tagen hatten rund um Moskau verheerende Wald-und Torfbrände gewütet. Der Wind stand ungünstig, und so war die Stadt in eine große Rauchwolke gehüllt. Die Regierung hatte in den vergangenen Jahren erst die Sümpfe trockengelegt, um Torf zu gewinnen, und dann aus Rationalisierungsmaßnahmen über fünfzigtausend Forstarbeiter entlassen. Und so gab es nahe der Hauptstadt ein gewaltiges Reservoir recht leicht brennbaren Bodens, und keiner passte mehr darauf auf.
Nun war es auch in seinem Interesse, wenn der als Heizmaterial gedachte Torf verbrannte. Er wusste nur zu gut, dass bereits ein kleiner Funke genügte, um riesige Flächen in Brand zu stecken. Es war unmöglich, die Ursache herauszufinden. Vorsorglich hatte er die Balkontür wegen des Smogs diese Nacht zugelassen, und so schwitzte er sich zu Tode, obwohl er nackt schlief und die Bettdecke bereits am Anfang der Nacht auf den Fußboden geworfen hatte.
Mühsam rappelte er sich nun auf und suchte sein Handy. Es klingelte zum wiederholten Mal. Endlich fand er es in der Innentasche seiner Anzugjacke. Sergeij stand auf dem Display.
»Ja?«, meldete er sich.
»Sie sind uns entwischt«, sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung. »Es war ganz knapp. Das Bett im Motel war sogar noch warm.«
Antonow lachte auf. Wenn die wüssten, wie warm sein Bett war. »Und jetzt?«, fragte er.
»Ich halte dich auf dem Laufenden. Mal sehen, was die Society sagt. Ich werde gleich Wilson anrufen.«
»Danke für die Information. Melde dich, wenn du Unterstützung benötigst!«
»Das werde ich!«, versprach Sergeij.
Antonow beendete das Gespräch und schlurfte in das Badezimmer. Dort stellte er sich unter die Dusche und ließ eiskaltes Wasser über sich laufen. An schlafen war sowieso nicht mehr zu denken.
Er würde sich stattdessen auf die Vorstandssitzung am Vormittag vorbereiten.
64
Cassel, 1717
Der Viehdurchtrieb sorgte für lange Schlangen. Zwar
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