Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Weib.«
»Hier führen sie es unter dem Titel Oriana auf«, teilte Gärtner mit, der den Opernnamen von dem Programmzettel ablas, der den Besuchern am Eingang ausgehändigt worden war.
»So heißt die Prinzessin«, sagte Gravesande. »Am Ende des dritten Aktes finden sie und Amadigi zueinander, und die böse Zauberin, die die Romanze unbedingt verhindern möchte, nimmt sich das Leben.«
Gärtner nickte. Er schien es Gravesande nicht übel zu nehmen, dass dieser gerade das Ende verraten hatte. Offenbar war er weder an der Musik noch an dem Inhalt der Oper sonderlich interessiert.
»Händel hat nun sogar eine Stelle als Musiklehrer der Töchter von König George angetreten«, erzählte Gravesande mit deutlicher Verachtung in der Stimme. »Ich traf ihn in London bei verschiedenen Gelegenheiten. Die Reichen biedern sich ihm geradezu an. Lässt er nur einen Furz, so wird dies gleich als neue Oper gefeiert! Nun fährt man tagelang über die See, um diesem Schauspiel zu entrinnen – und was wird in Hamburg gegeben? Händel!«
»Gebt endlich Ruhe!«, rief ein Mann, der neben Gravesande stand und in einem eleganten roten Gehrock gekleidet war.
Gravesande ignorierte ihn und beugte sich stattdessen näher zu seinem Begleiter hinüber. Gärtner trat unruhig von einem Bein aufs andere. Es war für jeden erkennbar, dass er sich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte.
»Noch lästiger als dieser Händel scheint jedoch Orffyreus zu sein«, knurrte Gravesande. »In London ist man sehr unzufrieden. Sir Isaac Newton hat seinetwegen bereits eine Sondersitzung der Royal Society abgehalten. Auch zweifelt man langsam an Euren Fähigkeiten. Man hat keine Kosten und Mühen gescheut, und Euch ist es dennoch nicht gelungen, diesen Scharlatan zu stoppen!«
Die kleine Ouvertüre vor dem zweiten Akt war bald beendet, und der schwere samtblaue Vorhang erhob sich. Auf der Bühne stand ein beleibter Mann, der mit hoher Stimme zu singen begann. Das Bühnenbild war durchaus aufwendig gestaltet. Auf großen ausgesägten Holzwänden war ein Olivenhain gemalt, über dem ein strahlend blauer Himmel thronte. Andere Holzgebilde auf der Bühne stellten einen Brunnen und Bäume dar.
»Der Amadigi hier ist schrecklich«, flüsterte Gravesande. »Er soll immerhin einen Paladin darstellen. Stattdessen wirkt er wie ein Bauerntrampel.«
Gärtner blickte lustlos auf das Schauspiel und erklärte schließlich mit leiser Stimme: »Vielleicht kommen die Ereignisse um Orffyreus und auch meine Bemühungen in London ein wenig, wie soll ich sagen, verzerrt an. Orffyreus hat mächtige Freunde. Nun ist er gar in Hessen-Cassel bei dem Landgrafen untergekommen. Dieser wird selbst in London ein Begriff sein. Es ist kaum mehr möglich, an ihn heranzukommen.«
Gravesande schien Gärtner gar nicht zugehört zu haben, sondern lauschte mit konzentriertem Blick dem Geschehen auf der Bühne. Ein weiterer Sänger, im Gegensatz zum ersten groß gewachsen und deutlich jünger, betrat die Bühne. »Der Dardano ist auch nicht besser«, jammerte Gravesande. »Stellt Ihr Euch so einen Prinzen von Thrakien vor?«
»Worum geht es überhaupt?«, fragte Gärtner. »Die Oper ist nicht auf Deutsch. Ich verstehe kein Wort.«
»Dardano ist der große Widersacher von Amadigi«, erwiderte Gravesande. »Beide begehren Oriana, aber nur einer wird Ihr Herz gewinnen.«
Gärtner richtete seine Aufmerksamkeit nun gezwungenermaßen auf die Bühne. Eine Weile schwiegen sie.
Ohne den Blick von den Sängern zu lösen, sprach Gravesande schließlich weiter. »Wenn ich Euch richtig verstehe, wird es nun kaum mehr gelingen, Orffyreus unmöglich oder gar lächerlich zu machen. Somit wäre der ursprüngliche Plan gescheitert.«
»Er ist Protegé einflussreicher Männer …«, begann Gärtner, hielt jedoch inne, als Gravesande sich ihm plötzlich zuwandte und ihm mit einer Handbewegung bedeutete, zu schweigen.
»Ihr auch, mein Lieber. Und diese Freunde wünschen, dass Ihr nicht aufgebt.«
»Was schlagen Eure Freunde vor?«, fragte Gärtner etwas eingeschüchtert.
»Ein Duell«, antwortete Gravesande.
Auf der Bühne trat eine Frau in Erscheinung. Ihre üppige Oberweite quoll aus ihrem eng geschnürten Korsett. Sie hatte lange rote Locken und sang eine hohe Arie.
»Die Zauberin Melissa: Sie liebt Amadigi und hält ihn, Dardano und Oriana in ihrer Zauberwelt gefangen«, flüsterte Gravesande.
»Ein Duell?«, stieß Gärtner mit spitzer Stimme aus. »Ihr wollt, dass ich ihn töte?«
»Nun
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