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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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versuchte, ihm möglichst dicht zu folgen. Am Ende der Leiter gelangten wir an eine runde Tür in der Größe eines Kanaldeckels. Mit aller Kraft schob er einen eisernen Riegel beiseite, drehte ihn und hob den Deckel an, der an einer Seite mit Scharnieren befestigt war.
    Einige Augenblicke später stand ich neben Scheffler im Freien. Ich atmete tief ein und spürte, wie frischer Sauerstoff in meine Lungen drang. Die modrige Luft war fort, und es roch nach Waldboden: Wir befanden uns mitten auf einer kleinen Lichtung. Scheffler ließ den Deckel zufallen.
    »Wir haben schon auf euch gewartet!«, sagte eine Stimme links von uns.
    Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Aus der Deckung der Büsche traten zwei Gestalten auf uns zu.

92
    Cassel, 1717
    Die Nachtwache war am schlimmsten.
    Johannes Teuber schritt den schmalen Korridor ab. Eine Cousine arbeitete in der Schlossküche und stellte ihm zumeist, wenn er Nachtwache hatte, heimlich einen Krug mit warmem Bier vor den Lieferanteneingang. Auf dem Weg zum Dienst nahm er das leckere Nass mit und versteckte es hinter einem der Vorhänge im Schloss. Während seiner Schicht nahm er regelmäßig ein Schlückchen. So war die nächtliche Streife auszuhalten.
    Heute jedoch hatte vor der Tür am Küchentrakt kein Krug auf ihn gewartet. Er wusste nicht, warum; vielleicht hatte seine Cousine ja keine Gelegenheit gehabt, heimlich etwas vom Schwarzbier abzufüllen. Missmutig war er zum Schlossflügel gelaufen. Wie sollte er ohne Bier die Nacht überstehen? Jetzt war es kurz vor drei Uhr, und mindestens drei weitere Stunden warteten auf ihn. Normalerweise konnte er die Wache im Sitzen an einem der Eingänge verbringen. Wegen irgendeiner Wette mussten sie nun aber seit fast einem Monat diesen Korridor vor einem versiegelten Raum bewachen. Darin, so hieß es, laufe eine Maschine rund um die Uhr, und niemand dürfe das Gemach betreten.
    Er blieb abrupt stehen und lauschte an der Tür. Einen Moment lang glaubte er, dahinter ein leises regelmäßiges Knacken zu vernehmen. Das hatte er sich wohl nur eingebildet, dachte er und gähnte. Die Muskete mit dem Bajonett hing wie Blei in seiner Hand, und er lehnte sie kurz gegen die Tür.
    Am Ende des Korridors erschien auf einmal eine ganz in Weiß gekleidete Person. Als sie schon fast vor ihm stand, erkannte er Marie, eine der Kammerzofen der Marquise. Aufgrund ihrer Schönheit sprach man in der Garnison oft von ihr, und sie wandelte durch manchen Tagtraum der Soldaten. Jetzt trug sie nur ein Nachthemd. Eilig griff er nach der Waffe und drückte seine Brust durch. Die Zofe winkte aufgeregt.
    »Kommt schnell«, rief sie, »die Marquise hat etwas Verdächtiges beobachtet! Sie fürchtet, es sind Eindringlinge im Schloss!«
    Im Laufschritt folgte er der Zofe, wobei sein Hut verrutschte. Er bekam ihn gerade noch mit der freien Hand zu greifen, bevor er vom Kopf fiel.
    Die Glocke am Turm schlug dreimal. Gärtner und sein Gehilfe Ruprecht erhoben sich aus der Deckung des Gewächshauses und schlichen zur Tür des Boteneingangs. Sie war tatsächlich nicht verschlossen. Über eine schmale Treppe gelangten sie in das Erdgeschoss. Sie wandten sich sogleich zu einer der engen Wendeltreppen, die in den Ecken des Schlosses nach oben führten. Gärtner ging vorweg, Ruprecht, der einen kleinen Kasten bei sich trug, folgte ihm.
    Endlich erreichten sie den ersten Stock. Gärtner drückte sich an die mit einer Tapete bezogene Wand und lauschte. Ruprecht tat es ihm gleich, stieß dabei jedoch gegen eine der blechernen Standvasen, die erst wankte und dann laut scheppernd umfiel. Gärtner fluchte und prügelte auf seinen ungeschickten Gehilfen ein. Mit einem raschen Handgriff stellte er die Vase wieder auf, danach gingen beide in die Hocke. Weit und breit war keine der Wachen zu sehen. Zudem befanden sich in diesem Teil des Schlosses keine Schlafgemächer, sodass die lauten Geräusche niemanden aus dem Schlummer gerissen hatten. Sie schienen Glück gehabt zu haben.
    Gärtner packte Ruprecht am Kragen und zerrte ihn hinter sich her. Endlich gelangten sie zu der großen Doppeltür, wo genau in der Mitte zwischen den beiden Flügeln das rote Siegel der Marquise zu erkennen war. Er gab seinem Gehilfen ein Zeichen, doch Ruprecht zuckte nur hilflos mit den Schultern. Gärtner riss ihm das Kästchen aus der Hand und öffnete es. Er entnahm den Schlüssel und steckte ihn problemlos in das Türschloss. Vorsichtig drehte er ihn um. Dann drückte er die Klinke hinunter und

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