Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
Vom Netzwerk:
hektisch um und suchte etwas auf dem Boden. Endlich schien er das Gesuchte gefunden zu haben. »Kommen Sie, packen Sie einmal mit an!«, forderte er mich auf, während er versuchte, eine Gehwegplatte anzuheben.
    Ich half ihm, die Platte auf den Deckel der Öffnung zu legen, aus der wir soeben den Tunnel verlassen hatten.
    »Noch eine!«, befahl Scheffler.
    Im Schein der Taschenlampe erkannte ich eine weitere Gehwegplatte. Die beiden Männer, die uns mittlerweile erreicht hatten, trugen sie ebenfalls zum rostigen Eisendeckel hinter mir.
    »Erledigt!«, stellte Scheffler zufrieden fest. »Den Deckel bekommt von innen niemand mehr angehoben!« Dann leuchtete er mit der Taschenlampe in das Gesicht eines der jungen Männer neben sich. »Steve«, sagte er an mich gewandt. Anschließend schwenkte er den Lichtschein hinüber zu dem anderen Mann. »David.« Zu guter Letzt leuchtete er mir ins Gesicht. »Robert Weber.«
    Ich schob die Lampe zur Seite, da sie mich blendete. Die beiden anderen Männer nickten mir kurz zu.
    »Nun lasst uns hier verschwinden. Wir parken mit dem Auto nicht weit von hier. Dort entlang!« Scheffler deutete hinüber zu den Bäumen.
    Ich blieb jedoch stehen. »Die Kerle haben meine Freundin. Ich kann sie nicht einfach zurücklassen!«
    »Im Moment können wir nichts für sie tun«, erwiderte Scheffler und fasste mich am Ellbogen. »Wenn sie uns hier erwischen, ist sie auf jeden Fall verloren – und wir auch.«
    Ich spürte, dass er recht hatte. Dennoch breitete sich in mir grenzenlose Verzweiflung aus. Widerwillig folgte ich ihnen, stolperte nach wenigen Schritten über eine Baumwurzel und konnte mich im letzten Augenblick fangen. Ich blieb erneut stehen. »Woher weiß ich, dass ich Ihnen wirklich trauen kann? Was haben Sie dort am Oktogon überhaupt gemacht? Warum helfen Sie mir plötzlich?«
    Die beiden anderen Männer hielten inne und musterten mich neugierig.
    »Ich verstehe, dass Sie viele Fragen haben«, antwortete Scheffler. »Später erzähle ich Ihnen mehr, aber jetzt müssen wir hier schleunigst weg!«
    Ich schaute ihm tief in die Augen. »Okay, ich vertraue Ihnen.«
    Scheffler lächelte. »Gut, dann kommen Sie!«
    Gemeinsam verließen wir die Lichtung und traten in das Dickicht des Waldes hinein. Ich schaute mich noch einmal um. Hinter uns war alles ruhig.

94
    Bettenhausen, 1717
    Anthoni klappte den kleinen Taschenspiegel zu. Venezianische Spiegel waren überaus selten, und er hatte bislang noch keinen in der Hand gehalten. Es war tatsächlich ein filigran gearbeitetes Stück: Als Goldschmied konnte er dies beurteilen. Er betrachtete das Relief auf der Außenseite. Abgebildet war eine Kuh, in deren Bauch durch eine Tür eine Frau hineinstieg. Er drehte den Spiegel um. Auf der Rückseite war ein Satz eingraviert, den er jetzt erst sah. Er las ihn leise: »Für meinen Freund Johann Jakob Anthoni zum Dank für seine Unterstützung. Von Eurem Diener Orffyreus.«
    Scham stieg in ihm auf. Rasch legte er den Spiegel zurück in die schwere Eisentruhe. Er starrte auf den Leinensack vor sich. Sämtliche persönlichen Sachen waren bereits in der Kutsche verstaut, die draußen wartete. Nur die Truhe mit den Wertsachen musste noch heruntergeschafft werden. Einige Arbeiter hatten gegen ein paar Pfennige beim Tragen geholfen, und so war er früher mit dem Packen fertig geworden, als er gedacht hatte. Vier Jahre hatte er nun in der Nähe von Cassel gelebt. Nachdem seine Arbeit hier vollendet war, freute er sich, endlich nach Augsburg zurückzukehren. Der Landgraf hatte ihn fürstlich entlohnt: Mit dem Salär würde er sich eine Goldschmiedewerkstatt in seiner Heimatstadt aufbauen. Auch war es Zeit, sich endlich wieder eine Frau zu suchen. Die letzte hatte ihn wegen seines Schluckaufs verlassen.
    Im Laufe der Jahre war die Herkules-Figur für ihn zu einem zweiten Ich geworden. Zu viel von seiner Lebensenergie hatte er in ihre Erschaffung gesteckt. Jeden Hammerschlag schien er auch am eigenen Körper zu spüren. In letzter Zeit hatte er das Gefühl, sich selbst anzublicken, wenn er die Statue anschaute. Schweren Herzens hatte er sich von der Figur getrennt. In Cassel blieb ein Stück von ihm zurück.
    Die letzten Tage und Stunden vor der Abholung der Figur durch die landgräflichen Soldaten waren turbulent gewesen. In der Nacht zuvor hatte er noch Feinarbeiten an der Statue vorgenommen und schließlich die letzte Kupferplatte im Morgengrauen eingesetzt. Er war derart in seine Arbeit vertieft und mit dem

Weitere Kostenlose Bücher